Haehling von Lanzenauer,
Reiner, Der
Mord an Matthias Erzberger (= Schriftenreihe des rechtshistorischen Museums
Karlsruhe 14). Verlag der
Gesellschaft für kulturhistorische Dokumentation e. V.
Karlsruhe 2008. 47 S., zahlreiche Abb. Besprochen von Karsten Ruppert.
Matthias
Erzberger ist nicht zuletzt deswegen als Politiker des Kaiserreichs und der Weimarer
Republik im Gedächtnis geblieben,
weil er eines der ersten Opfer der politischen Morde rechtsradikaler
Geheimorganisationen nach 1918 geworden ist. Deswegen nahm er auch in der demokratischen
Erinnerungskultur der frühen Bundesrepublik eine herausgehobene Stellung ein.
Das schlug sich besonders in der Benennung zahlreicher Plätze und Straßen
nieder; sein Geburtshaus in Buttenhausen wurde allerdings erst 2004 zu einer Gedenkstätte
umgewandelt.
Der
1875 auf der schwäbischen Alb geborene Erzberger war aus kleinen Verhältnissen
zu einem der führenden Parlamentarier des Kaiserreichs und bis zum Finanzminister
in der Weimarer Republik aufgestiegen. Wegen der Aufdeckung von Kolonialskandalen,
seiner Unterschrift unter den Waffenstillstand und seines Eintretens für die
Annahme des Versailler Vertrags war er zum Prototyp des „Systempolitikers“ bei
allen Gegnern der jungen Republik geworden. Deswegen hatte eine
Verschwörerclique der rechtsradikalen „Organisation Consul“, die aus der
berüchtigten Marinebrigade Ehrhardt hervorgegangen war, zwei ehemalige
Offiziere aus ihren Reihen ausgewählt, um ihn am 26. August 1921 während eines
Erholungsurlaubs im Schwarzwald zu ermorden. Der ehemalige Leitende
Staatsanwalt Haehling von Lanzenauer schildert in dieser Broschüre den Anschlag,
legt aber ein besonderes Schwergewicht auf die Biografie der Attentäter und deren
Prozesse. Sie wurden erst nach dem Zweiten Weltkrieg durchgeführt, da die
Mörder fliehen konnten und nach ihrer Rückkehr ins Dritte Reich beachtliche
Karrieren machen konnten. Nachdem es zunächst in dem Verfahren gegen einen der
Mörder zu einem skandalösen Freispruch gekommen war, wurden beide zu relativ
milden Haftstrafen verurteilt, von denen sie auch nur einen geringen Teil
verbüßen mussten.
Da
der Verfasser sich weitgehend auf die Prozessakten stützt, kann er die ein oder
andere Einzelheit im Umfeld der Verfahren erhellen, doch ist das meiste, was er
ausbreitet längst bekannt und schon mehr als einmal gesagt worden. In der Schilderung
des Lebenswegs des Zentrumspolitikers bis zum Attentat ist manches doch zu
einfach gesehen und einiges nicht ganz verstanden. Es haben sich auch sachliche
Fehler eingeschlichen: Josef Eckard war ein führender Politiker der
württembergischen Zentrumspartei, aber nicht der Führer dieser Partei (S. 8),
der „Volksverein für das katholische Deutschland“ ist kein „Sammelverband
katholischer Arbeiter-, Bauern- und Handwerkervereine“ (S. 8), sondern eine
sozialpolitische Bildungs- und Informationseinrichtung; Generalmajor von
Winterfeldt wurde nicht von der Reichsleitung zum Waffenstillstandskommissar
ernannt, sondern später in Spa von Erzberger in die Kommission aufgenommen. Der
Vorsitzende der MSPD Friedrich Ebert war 1918 nicht „Kanzler“ (S. 15), sonder
Vorsitzender des Rats der Volksbeauftragten und 1920 nicht „Ministerpräsident“
(S.18), sondern Reichspräsident; der Chef der Badischen Schutzpolizei Erich
Blankenhorn ist nicht 1863 gestorben (S. 44), sondern 100 Jahre später. Das
Bild auf S. 23 zeigt nicht „Reichskanzler Dr. Wirth“, sondern den ehemaligen Reichskanzler
Konstantin Fehrenbach. Der Erzberger-Mörder Heinrich Tillessen hat im Juli 1920
nicht seinen „Abschied aus der Marine“ (S. 28) genommen, sondern wurde aufgrund
des im Versailler Vertrag vorgeschriebenen radikalen Abbaus entlassen, worin
wohl auch eine persönliche Motivation für sein Verbrechen lag.
Eichstätt Karsten
Ruppert