Gith, Rainer, Die Entstehungsgeschichte des europäischen Kartellrechts (= Juristische Schriftenreihe 221). Lit-Verlag, Münster 2003. 211 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die schlanke, einen modernen wirtschaftsrechtlichen Gegenstand betreffende Arbeit ist die 2003 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster angenommene Dissertation des Verfassers. Sie geht davon aus, dass bis 1983 die Materialien zum primären Gemeinschaftsrecht der europäischen Gemeinschaften für die Öffentlichkeit nicht zugänglich waren, so dass über ihre Inhalte nicht geforscht werden konnte. Da aber Thomas Hoeren und Reiner Schulze in den Jahren 1996 und 1997 aus verschiedenen europäischen Archiven Materialien zur Entstehungsgeschichte des europäischen Kartellrechts in den Dokumenten zum Europäischen Recht Band 3 veröffentlicht hätten, sei eine wissenschaftliche Auswertung möglich geworden, wodurch die Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen nationalen Marktkonzeptionen und den politischen Zielsetzungen aufgezeigt werden könnten.
Der Verfasser gliedert seine Untersuchung in Einleitung, Darstellung und Schluss. Dabei geht er im Wesentlichen chronologisch vor. Eingangs beschreibt er den Gegenstand und die Grundlagen, wobei er zwischen vier Grundtypen staatlicher Kartellpolitik unterscheidet (Kartellfreiheit, Missbrauchskontrolle, Kartelllenkung und Kartellverbot).
Als Ausgangslage schildert er danach Kartelle in Europa, die teils die europäischen Nationalstaaten betreffen, teils international ausgerichtet sind. Danach wendet er sich der rechtlichen Behandlung der Kartelle sowohl in einzelstaatlichen Regelungen in Europa wie auch im Antitrustrecht der Vereinigten Staaten von Amerika zu. Hieraus erwachsen wenig später erste internationale Erörterungen des Kartellproblems.
Nach dem zweiten Weltkrieg findet in Europa eine erste diesbezügliche Bewusstseinsbildung statt. Zugleich regen sich Überlegungen zu einer wirtschaftlichen Integration Europas, neben denen universale kartellpolitische Ansätze in der Havanna-Charta, im Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen und im GATT beginnen. Die Folge sind europäische kartellpolitische Bestrebungen.
Eine erste europäische Regelung bringt danach der Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl auf der Grundlage des Schuman-Planes. Ausführlich behandelt der Verfasser die Art. 65 und 66 EGKS-Vertrag. Überzeugend stuft er die Lösung der politischen Probleme der Unternehmenskonzentration in der deutschen Montanindustrie als einen wesentlichen Beweggrund der eingeleiteten europäischen Integration ein.
Während der Verfasser danach auf die Zeitspanne nach Inkrafttreten der Montanunion zutreffend nur kurz eingeht, bietet er eine ausführliche Darstellung des Kartellrechts im Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. und über die Entwicklung der ersten Kartellverordnung. Mit dem Inkrafttreten der für die weitere Entwicklung kaum zu überschätzenden Verordnung Nr. 17 vom 6. Februar 1962 sieht er die Entstehung des europäischen Kartellrechts als abgeschlossen an. Danach haben sich Europäische Kommission und Europäischer Gerichtshof immer wieder am Antitrustrecht der Vereinigten Staaten von Amerika ausgerichtet, ohne dass allerdings in dem von ihm behandelten .Zeitraum eine allseits und auf Dauer befriedigende Lösung gefunden worden wäre.
Innsbruck Gerhard Köbler