Giese, Simone, Studenten aus Mitternacht. Bildungsideal und peregrinatio academica des schwedischen Adels im Zeichen von Humanismus und Konfessionalisierung (= Contubernium 68). Steiner, Stuttgart 2008. XXVII, 826 S., Abb., Graf., Tab., Kart. Besprochen von Gerhard Köbler.
Am Anfang zog der Mensch wohl auf der Suche nach freiem Raum von der warmen Mitte auch in den kälteren Norden. Dort erkannte er verschiedentlich doch bestehende Vorzüge des Südens. Deswegen verlangte es ihn immer wieder auf Dauer oder wenigstens vorübergehend nach der Wärme des größeren Wissens und reicheren Lebens.
Das mit einer drei Kronen auf einer Standarte als Zeichen des Königreichs Schweden aufweisenden Vignette aus dem siebenten Kapitel des achten Buches der Historia de gentibus septentrionalibus (1555) des Olaus Magnus geschmückte Werk ist die von Anton Schindling betreute, in Tübingen angenommene Dissertation der Verfasserin. Sie beruht auf Forschungen in Schweden, Dänemark, Polen, den Niederlanden, Frankreich und Deutschland. Sie verfolgt die durch die Erziehung adliger Knaben zu Kriegern symbolisierte Ausbildung des schwedischen Adels an mittäglichen Universitäten.
Gegliedert ist sie in insgesamt 12 Abschnitte. Dabei betrachtet die Verfasserin zu Beginn die Studenten aus Mitternacht unter dem Gedanken der humanistischen Bildung des Adels als Triebkraft für den Aufstieg Schwedens zur europäischen Großmacht hinsichtlich des Ansatzes und Aufbaus wie der Methode und der Quellen, zu denen vor allem die Universitätsmatrikel gehören. Danach untersucht sie Schweden, Europa und das Bildungsideal des Adels sowie die Adelserziehung zu Hause im schwedischen Reich.
Im Anschluss hieran wendet sich die Verfasserin den Rahmenbedingungen und Grundzügen der peregrinatio academica schwedischer Adeliger, den Universitäten und hohen Schulen an der Ostsee (Rostock, Greifswald, Braunsberg, Königsberg, Kopenhagen, Danzig, Elbing, Thorn, Stettin, Lübeck, Hamburg, Bremen, Stade), in Mitteldeutschland (Wittenberg, Helmstedt, Jena, Frankfurt an der Oder, Leipzig, Erfurt, Zerbst), in den Niederlanden (Leiden, Amsterdam, Deventer, Franeker, Groningen, Utrecht, Löwen), den protestantischen Universitäten und akademischen Gymnasien im Süden und Westen (Tübingen, Heidelberg, Marburg, Gießen, Straßburg, Altdorf, Basel), den katholischen Universitäten und Jesuitenkollegien im Reich und in Polen-Litauen (Dorpat, Krakau, Wilna, Olmütz, Innsbruck, Dillingen, Ingolstadt, Graz, Rom, Köln) und in weiteren europäischen Ländern (Angers, Orléans, Lyon, Paris, Siena, Padua) zu. Zusammenfassend betrachtet sie danach die Bildungsreisen der geistigen Elite im schwedischen Adel. Dabei unterscheidet sie hinsichtlich der Lerninhalte zwischen Theologie, Jurisprudenz (generell zu wenige), Medizin und artes liberales und fasst ihre gesamten zahlreichen Einzelerkenntnisse in einem Summary englisch zusammen.
Der Anhang des stattlichen, sehr begrüßenswerten Werkes bietet eine kurze Zeittafel, ein knappes Glossar und ein Verzeichnis von schätzungsweise knapp dreihundert Bildungsreisen schwedischer Adliger sowie genealogische Übersichten. Das Quellen- und Literaturverzeichnis dokumentiert auf mehr als 70 Seiten die breite Grundlage. Ein Ortsregister und ein Verzeichnis zahlreicher Personen von Gabriel Abel bis Ulrich Zwingli schließt das erfreuliche, durch Abbildungen und Graphiken veranschaulichte Werk über frühneuzeitliche Horizonterweiterung des Nordens im Süden, die dem Süden sicher auch in der Gegenwart nur zu gute kommen würde, vorteilhaft auf.
Innsbruck Gerhard Köbler