Geheimprotestantismus und evangelische Kirchen in der Habsburgermonarchie und im Erzstift Salzburg (17./18. Jahrhundert), hg. v. Leeb, Rudolf/Scheutz, Martin/Weikl, Dietmar (= Veröffentlichungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 51). Böhlau/Oldenbourg, Wien/München 2009. 528 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Mittels seiner Sprache kann der Mensch Gedanken andern Menschen mitteilen. Wirkt eine Vorstellung für andere vorteilhaft, kann sie sich desto leichter verbreiten, je besser die Mitteilungsmöglichkeiten sind. Seit 1517 erschien die Möglichkeit, ohne aufwendigen Ablasskauf Vergebung von Sünden zu erlangen, vielen Armen einleuchtend und waren mit dem Druck lesekundige Verbreiter schnell und preiswert zu erreichen, so dass sich die Reformation der christlichen Lehre geschwind in viele Richtungen verbreiten konnte.
Da die Verbesserung der Lage der einen aber zugleich eine Verschlechterung der Umstände anderer bedeutete, stieß die Reformation an vielen Stellen auch auf Widerstand. Wo dieser mächtig und gefährlich war, war es ratsam oder erforderlich, sich nur heimlich zu der neuen Überzeugung zu bekennen. Von daher versteht sich seit langem die Frage des Geheimprotestantismus und evangelischer Kirchen in der Habsburgermonarchie und im Erzstift Salzburg im 17./18. Jahrhundert, deren Erörterung auch durchaus außerhalb des Kirchenrechts geschichtlich interessiert.
Der sich verdienstvollerweise mit dieser bedeutsamen Fragestellung beschäftigende Sammelband gliedert sich in drei Teile. Sachgerecht leiten die drei Herausgeber zwischen mühsam erkämpfter Legalität und widerstrebender Duldung in den Protestantismus in der Habsburgermonarchie im 17. und 18. Jahrhundert ein, was Martin Scheutz hinsichtlich der Konfessionalisierung von unten und oben sowie des administrativen Umgangs mit Geheimprotestantismus in den österreichischen Erbländern sorgfältig vertieft. Karl W. Schwarz ordnet den österreichischen Geheimprotestantismus insgesamt rechtsgeschichtlich ein.
Es folgen neun Länderbeiträge. Sie beziehen sich auf Salzburg (Astrid von Schlachta), die Steiermark (Rudolf K. Höfer), Kärnten (Christine Tropper), das Land ob der Enns (Andreas Hochmeier), eine fast vollständige Tilgung und einen handfesten Neubeginn in Niederösterreich (Martin Scheutz), Wien (Martin Scheutz), Böhmen und Mähren (Ondřej Macek), Schlesien (Alexander Schunka) und Ungarn (Zoltán Csepregi). An allen Stellen führen sie zu vielen neuen Erkenntnissen über die freilich auch in einem anderen Zuschnitt vorstellbare Habsburgermonarchie.
Im dritten Teil erfolgen sieben thematische Annäherungen. Sie befassen sich mit Transmigration (Stephan Steiner), Emigration (Ute Küppers-Braun), Volksmissionen als Druckmittel (Martin Scheutz), Glaubenswechsel als Massenphänomen (Martin Scheutz), religiösem Leben (Dietmar Weikl), der Sicht der päpstlichen Kurie auf den (unglücklichen) Westfälischen Frieden und den Kontakten der Geheimprotestanten zu den evangelischen Territorien im Reich, zu dem eigentlich Salzburg, , Kärnten, Steiermark und anderes ebenfalls zu zählen wären. Für die Geschichte des auch nach Ansicht der Herausgeber noch viel umfangreicher zu erforschenden Protestantismus in der Habsburgermonarchie ist daher der - leider eines Registers entbehrende, mit einem Buchversteck in der Ramsau aus der Zeit des Geheimprotestantismus geschmückte, von sechs Landesregierungen finanziell geförderte - Band ein bedeutsamer Schritt nach vorn.
Innsbruck Gerhard Köbler