Elling-Ruhwinkel, Elisabeth, Sichern und Strafen. Das Arbeitshaus Benninghausen 1871-1945 (= Forschungen zur Regionalgeschichte 51). Schöningh, Paderborn 2005. IX, 436 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Hans-Ulrich Thamer betreute, während sechser Jahre neben der Arbeit als Tageszeitungsredakteurin angefertigte, im Sommersemester 2003 von der philosophischen Fakultät der Universität Münster angenommene Dissertation der Verfasserin. Sie behandelt einen von der Rechtswirklichkeit her auch für die Rechtsgeschichte interessanten und wichtigen Gegenstand. Ihr Ansatz ist die Arbeitsamkeit als zentrale Norm des Wohlfahrtsstaates.

 

Gegliedert ist die mit einem um 1950 entstandenen Foto einer Übersichtstafel über die 400 Männer und die 238 Frauen des 1821 eröffneten Arbeitshauses geschmückte Untersuchung klar in drei Teile. Zunächst beschreibt die Verfasserin kurz Forschungsstand, Fragestellung, Aufbau und Quellenlage. Wichtigste Fundgrube sind 400 Verwaltungsakten (Hausregister, ärztliche Berichte, Sterbeverzeichnisse), 500 Personalakten und rund 8000 Insassenakten (ab Aufnahmejahr 1924).

 

Den Hauptteil bildet das Arbeitshaus Benninghausen. Hier gliedert die Verfasserin einleuchtend chronologisch, so dass sie mit den Grundlagen beginnt und danach Kaiserreich, Mangel- und Inflationsjahrzehnt (1914-1924), eine Phase der Moderne, Weltwirtschaftskrise, NS-Staat und die Zeit nach 1945 nacheinander untersucht. Sachlich stehen Korrigenden (soziale Außenseiter, Bettler, Landstreicher, Prostituierte, Geschlechtskranke, Trinker, unwürdige Fürsorgeempfänger, Unterhaltsverweigerer, Arbeitsscheue, schwer erziehbare Jugendliche, Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene, Strafgefangene), Anstaltsalltag und Veränderungen bzw. Reformversuche im Vordergrund.

 

Grundlage der Zwangsaufnahme ist die Verletzung des gesellschaftlichen Grundverständnisses der notwendigen Arbeitsamkeit des menschlichen Lebens. Ziele sind Bestrafung dieses Verhaltens, Besserung der Insassen durch Arbeitspflicht, strenge Aufsicht und Härte und Schutz des Fürsorgestaates (auch durch Abschreckung). Überzeugend sieht die Verfasserin Ausgrenzung und Disziplinierung der betreffenden Randgruppen als Konstante der Untersuchungszeit an, kann aber zugleich in den verschiedenen politischen Systemen durchaus unterschiedliche Einzelausprägungen feststellen.

 

Im dritten Teil zieht die Verfasserin ein kurzes Fazit. Insbesondere weist sie dabei nachdrücklich darauf hin, dass sich zwar die Erkenntnis der nicht zu erreichenden Besserung nach dem ersten Weltkrieg allgemein durchsetzte, dass aber gleichwohl das Konzept nicht nur fortgeschrieben, sondern sogar ausgedehnt wurde, was den Fortbestand der Anstalt garantierte. Insofern waren die Insassen im Grunde nur eine Verfügungsmasse der von ihr zehrenden Verwaltung.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler