Eduard Gans (1797-1839). Politischer Professor zwischen Restauration und Vormärz, hg. v. Blänkner, Reinhard/Göhler, Gerhard/Waszek, Norbert (= Deutsch-französische Kulturbibliothek 15). Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2002. 410 S., Ill. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Beiträge dieses Bandes gehen auf Vorträge zurück, die im Juni 1995 in der Werner Reimers Stiftung in Bad Homburg gehalten und erörtert worden sind. Trotz unterschiedlicher Unterstützung haben widrige Umstände bei der Finanzierung ein Erscheinen der Referate in gedruckter Form erst 2001 ermöglicht. Leider ist ein kurzer Hinweis auf das vielseitige Werk auch erst mit Verspätung möglich.

 

Auf der Rückseite des kurzen Vorworts der Herausgeber wird der Band durch ein zwischen dem 11. und 14. Januar 1829 angefertigtes Gans-Portrait Wilhelm Hensels eröffnet. Danach beschreiben die Herausgeber Gans als heute weitgehend Unbekannten, obwohl er 1834 als bei Weitem bester Kopf in Deutschlands bezeichnet werden konnte.. Zu Recht weisen sie auf diesen auffälligen Unterschied zwischen zeitgenössischer Wirkung und wirkungsgeschichtlicher Bedeutung besonders hin.

 

Ziel der Tagung war es, Leben und Werk des politischen Professors Eduard Gans im kulturellen, wissenschaftlichen und politischen Kontext seiner Zeit nachzugehen. Damit sollte auch ein weithin unbekanntes Kapitel der noch nicht befriedigend untersuchten Geistesgeschichte zwischen Revolution, Restauration und Vormärz im deutschen Raum freigelegt werden. Im Ergebnis erweist sich Gans dabei als ein wesentlicher Gradmesser für politische Theoriegeschichte, dessen etwa 300 weit verstreute Briefe, Schriften und Wirkungen in Zukunft weit mehr Aufmerksamkeit verdienten, als ihnen bisher zu Teil wurden.

 

Vereint sind in dem Band insgesamt 14 Untersuchungen. Sie beginnen mit drei allgemeineren Schilderungen der Zeitumstände. Dabei befasst sich Jonathan Knudsen mit der Restauration in Berlin, Michael Werner mit den drei deutsch-jüdischen Intellektuellen Börne, Heine und Gans im Spannungsfeld von Akkulturation, Politik und Kulturtransfer zwischen Deutschland und Frankreich und Willi Jasper mit der Beziehung zwischen Hegel und jüdischer Intelligenz.

 

Danach wendet sich Norbert Waszek (Wissenschaft und Liebe zu den Seinen) dem Verhältnis zwischen Eduard Gans und den hegelianischen Ursprüngen der Wissenschaft des Judentums zu. Hans-Christian Lucas (Dieses Zukünftige wollen wir mit Ehrfurcht begrüßen) erörtert die Historisierung und Liberalisierung des hegelschen Rechts- und Staatsbegriffs durch Gans. Angelica Nuzzo legt Eduard Gans’ Stellung zu Hegels Systematik der Philosophie dar.

 

Myriam Bienstock behandelt die soziale Frage im französisch-deutschen Kulturaustausch (Gans, Marx, Saint-Simon). Edda Magdanz schildert die Stellung Gans’ im Konstitutierungsprozess der junghegelianischen Bewegung., Gerhard Göhler die Stabilität von Institutionen unter den Bedingungen ihres Wandels. Marek N. Jakubowski erfasst die polnischen Schüler Gans’.

 

Für die Rechtsgeschichte besonders bedeutsam sind die drei anschließenden Studien, bei denen Joachim Rückerts Erörterung des Streites zwischen historischer und philosophischer Rechtsschule (Thibaut - Savigny - Gans) an der Spitze steht. Alphons Bürge behandelt diesen Streit aus französischer Sicht. Heinz Mohnhaupt weist überzeugend auf die Universalrechtsgeschichte und Vergleichung bei Eduard Gans hin.

 

Am Ende des weiterführenden, auch ein Faksimile (Eduard Gans, Manuskript „Über Opposition“, 1837) bietenden Bandes konzentriert sich Reinhard Blänkner nochmals auf l’homme politique Eduard Gans und Wissenschaft sowie intellektuelle Milieus zwischen Berlin und Paris (in der allgemeinen Schweizeruniversität, Ganstown oder Ganshagen). Ein kurzes Siglenverzeichnis weist auf wichtige Werke hin, kann aber ein Sachverzeichnis nicht ersetzen. Es bleibt zu hoffen, dass die von den Herausgebern ins Auge gefassten Desiderata unter dem Einfluss dieser ersten internationalen Gans-Tagung in naher Zukunft verwirklicht werden.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler