Düwell, Nora, Die Standesgerichtsbarkeit der Presse im Nationalsozialismus. Das Bezirksgericht der Presse München (= Rechtsgeschichte und Rechtsgeschehen 8). Lit, Berlin 2008. XIX, 244 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Thomas Vormbaum betreute, im Wintersemester 2007/2008 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Fern-Universität Hagen angenommene Dissertation der Verfasserin. Sie ist trotz festgestellter schlechter Quellenlage insgesamt gelungen. Sie betrifft trotz Konzentration auf ein enges Gebiet eine allgemeine Frage.
Gegliedert ist sie in fünf verhältnismäßig ungleiche Kapitel. Am Beginn beschreibt die Verfasserin kurz die Quellenlage zur Berufsgerichtsbarkeit der Presse im Allgemeinen und hinsichtlich des Bezirksgerichts der Presse München. Danach geben die im Staatsarchiv München archivierten Akten Aufschluss über 98 zwischen 1935 und der Jahresmitte 1939 anhängige Verfahren.
Das zweite Kapitel betrifft die berufsständische Ehrengerichtsbarkeit der Presse im Nationalsozialismus. Für sie geht die Verfasserin vom Schriftleitergesetz aus. Danach untersucht sie die Berufsgerichtsbarkeit der Presse (Aufgabe, Zuständigkeit, Aufbau und Organisation, Finanzierung und Kosten, Besetzung, Ernennung, Verfahren einschließlich Änderungen).
Das dritte Kapitel konzentriert sich auf das Bezirksgericht der Presse München. Nach Grundlegendem stellt hier die Verfasserin vor allem die verschiedenen Verfahren dar (ehrengerichtliche Verfahren wegen Nichteinhaltung der nationalsozialistischen Anweisungen zur Presselenkung, wegen Verstoßes gegen die nationalsozialistischen Anschauungen, wegen religiöser Bekenntnisse, wegen mangelhaften Sozialverhaltens, Einspruchsverfahren, Kündigungsschutzverfahren sowie Berufungsverfahren und Rechtsbeschwerdeverfahren). Besonders herausgestellt wird das durch das Fehlen der Verfahrensakte gekennzeichnete Verfahren gegen Dr. Klaus Mehnert.
Danach wendet sich die Verfasserin dem Einwirken auf die Berufsgerichte durch den Reichsverband der deutschen Presse und das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propanga zu. Außer um Mitteilung von Beanstandungen, Informationspflichten bei besonderen Verfahren und Aufklärung über die nationalsozialistische Auffassung der Rechtssache geht es vor allem um die Amtsenthebung des zum 1. Februar 1937 in den Ruhestand tretenden Richters Josef Simmerding und seiner Beisitzer, die jedoch nicht verwirklicht wurde.
In der abschließenden Zusammenfassung betont die Verfasserin zunächst die Lenkung der Presse im Dritten Reich, die binnen zehner Jahre im Wesentlichan an die Nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei gelangte (anfangs 2,5 Prozent, später mehr als 82 Prozent). Das Schriftleitergesetz sollte nach Ansicht des zuständigen Reichsministers den Schriftleiter von der Abhängigkeit von seinem Verleger befreien. Im Einzelnen war die nicht sehr ergiebige Rechtsprechung des Bezirksgerichts der Presse München dann stark geprägt von der Person des Vorsitzenden.
Von ihnen subsumierte Josef Simmerding juristisch korrekt. Demgegenüber ließ sich Artur Helm von der Ideologie leiten. Größere Auswirkungen lassen sich freilich aus dem untersuchten Material anscheinend nicht ermitteln, wie sich im Übrigen auch für das Literatur- und Quelleverzeichnis (!) von der Verfasserin insgesamt nur 31 Titel aufspüren ließen.
Innsbruck Gerhard Köbler