Dreyer, Martin, Die zivilgerichtliche Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf in der nationalsozialistischen Zeit (= Osnabrücker Schriften zur Rechtsgeschichte 10). V&Runipress, Göttingen 2004. 359 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die  Arbeit ist die von Wulf-Eckart Voß betreute, im Herbst 2003 vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Osnabrück angenommene Dissertation des Verfassers. In der Einleitung beschreibt der Verfasser den Stand der Forschung, die Methodik seiner Arbeit, den Gang der Untersuchung und die Schwierigkeiten der Untersuchung. Unter Forschung legt er dar, dass er im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (vorwiegend in der Zweigstelle Kalkum) den Großteil der Entscheidungen seines Oberlandesgerichts und der Instanzgerichte sowie die meisten Verwaltungs- und Prozessakten gefunden habe und auch das Archiv des Oberlandesgerichts, das Institut für Zeitgeschichte und das Archiv des Bundesgerichtshofs wichtiges Material zur Verfügung habe stellen können.

 

Gegliedert ist die Untersuchung in drei Teile, wobei der Verfasser mit den Auswirkungen der nationalsozialistischen Machtentfaltung auf das Oberlandesgericht beginnt. Im zweiten Teil untersucht er das nationalsozialistische Rechtsdenken. In diesem Rahmen bildet der dritte Teil über die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts den eigenen Kern.

 

Dieser wird im Wesentlichen nach Sachgebieten aufgeteilt. Der Verfasser beginnt mit den familienrechtlichen Entscheidungen (Anfechtung der Ehe, Eherecht, Abstammung), geht danach zum Vertragsrecht über (Vertragsschluss, inhaltliche Überprüfung, Beendigung, Bedeutung des Antisemitismus) und erörtert dann Eigentum und Schadensersatz aus unerlaubter Handlung. Er schließt sachlich mit dem Kirchenstreit im Rheinland, geht anschließend aber noch auf die besondere Frage der Durchbrechung der Rechtskraft ein.

 

Am Ende bietet er eine zusammenfassende Betrachtung mit dem auch ihn nicht überraschenden Ergebnis, dass die Zivilrechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom nationalsozialistischen Rechtsdenken nicht unbeeinflusst geblieben ist. In Zahlen gefasst hat er von 8133 untersuchten Entscheidungen weniger als 2,97 Prozent als abweichend und 0,58 Prozent als durch das nationalsozialistische Rechtsdenken beeinflusst erkannt (Eherecht, Abstammungsrecht). Gleichwohl warnt er vor daraus gezogenen Fehlschlüssen und vertritt selbst die Ansicht, dass eine regelmäßige, auf breiter Linie vorgenommene Benachteiligung der jüdischen Parteien unter Umgehung geltenden Rechts an Hand der 47 sie betreffenden Fälle nicht nachweisbar ist.

 

Sein aus den Quellen erarbeitetes Ergebnis des Fehlens einer eigentlichen nationalsozialistischen Rechtsprechung erklärt er mit der Selbstbeschränkung. Zwar durfte der totale Staat aus seinem Selbstverständnis heraus alles tun, doch tat er es nicht überall. Von dieser Selbstbeschränkung war das Zivilrecht betroffen, selbst wenn die Neigung zur Selbstbeschränkung als Folge der sich seit 1942 abzeichnenden Wende im Krieg nachließ.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler