Die Protokolle der Regierung von Baden. Band 2 Das erste und das zweite Kabinett Wohlleb und die geschäftsführende Regierung Wohlleb 1947-1949, bearb. v. Strauß, Christof, red. v. Furtwängler, Martin (= Kabinettsprotokolle von Baden, Württemberg-Baden und Württemberg Hohenzollern 1945-1952, Teil 1). Kohlhammer, Stuttgart 2009. LIV, 410 S. Besprochen von Werner Schubert.
Mit dem zweiten Band der Protokolle der Regierung des Landes Baden wird der Zeitraum von August 1947 bis Februar 1949 umfasst (zu Bd. 1 Schubert, ZRG GA 125 [2008], S. 973ff.). Das Land Baden bestand aus dem südlich der Autobahn Karlsruhe-Stuttgart gelegenen Teil von Vorkriegsbaden mit der Hauptstadt Freiburg im Breisgau. Am selben Tag wie die Abstimmung über die Verfassung fanden in Baden die ersten und zugleich einzigen Landtagswahlen statt, bei denen die Badisch-Christlich-Soziale Volkspartei (später: CDU) 55,9%, die SP (Sozialistische Partei) 22,4%, die DP (Deutsche/Demokratische Partei) 14,3% und die KP (Kommunistische Partei) 7,4% der Stimmen erhielten. Staatspräsident war von August 1947 an Leo Wohlleb, der zunächst eine Koalition mit der SP einging. Im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung über die Agrarreform traten die beiden Minister der SP zurück. Justizminister war zunächst Marcel Nordmann (SP, S. 15), anschließend Herrmann Fecht (CDU, S. 139). Die badische Verfassung von 1947 bildete eine „verlässliche demokratische, rechts- und sozialstaatliche Grundlage“ (vgl. S. IX nach Feuchte) und war von Wohlleb beeinflusst, der für ein christliches Staatsbild eintrat und sich als Sachwalter gesamtbadischer Interessen verstand (S. 9). Die Einleitung von Strauß bringt zunächst einen Überblick über das politische Kraftfeld (Regierung und Besatzungszeit) und wendet sich anschließend einzelnen Problemfeldern zu, die besonders kontrovers diskutiert wurden. Hierzu gehörte zunächst die Bodenreform, die im Agrarreformgesetz vom 27. 2. 1948 geregelt wurde (S. 124, 127ff.). Hiernach war für Grundeigentum mit mehr als 100 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche eine prozentual gestaffelte Landabgabe vorgesehen (S. XVIf.). Die Ergebnisse der Bodenreform waren äußerst bescheiden, da nur 350 ha Streubesitz an Bauern überging (S. XVII). Ebenfalls sehr kontrovers war die von der französischen Besatzungsmacht geforderte, letztlich gescheiterte Schulreform (Einheitsschule, zumindest Volksschule bis zum 12. Lebensjahr; vgl. S. 72, 110). Die einzigen Spuren, welche die Besatzungszeit im badischen Schulwesen hinterlassen hat, blieben der ausgedehnte französische Sprachunterricht und das Zentralabitur (S. XVIIff.). Die wichtigsten Beratungsgegenstände im Kabinett bildeten die Ernährungslage und die Versorgungskrise (S. XXIff.), die 1947 ihren Höhepunkt erreichte, sowie die Demontage und die sog. „Franzosenhiebe“ (Holzeinschläge besonders im Schwarzwald). Im Parlamentarischen Rat war Baden durch den Justizminister Fecht und den SPD-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Maier vertreten, die jedoch in drei aus badischer Sicht besonders dringlichen Problemen sich nicht durchsetzen konnten (S. XVII). Die von den Alliierten im Juli 1948 angeregten Verhandlungen über eine Neugliederung der Länder, scheiterten hinsichtlich eines Südweststaates bereits im September 1948. Teil der Einleitung sind noch fünf Dokumente zur Besatzungszeit (Ernährungskrise; Denkschrift zur Einheitsschule sowie den Demontagen).
Von rechtshistorischem Interesse sind u. a. das Gesetz über die Wiedereinführung der Schöffen und Geschworenen in der Strafrechtspflege (S. 156), die Diskussionen über die Neugliederung der Amtsgerichts-Bezirke (S. 106, 136), das Betriebsrätegesetz (S. 252f.), das Gesetz über den Volksentscheid und den Staatsgerichtshof (S. 190), die Gemeinde- und Kreisordnung (S. 310), das Landeswahlgesetz (S. 202ff.) und das Lastenausgleichsgesetz vom 22. 2. 1949 (S. 349ff.). Wiederholt Gegenstand der Beratungen waren die Wildschweinplage und die damit verbundene Neuregelung des Jagdrechts (S. 169, 183, 281, 354, 374), über die detailliertere Informationen fehlen. Nach der Aufhebung des Reichserbhofgesetzes erging am 12. 7. 1949 ein Gesetz über die Wiedereinführung des Rechtes der geschlossenen Hofgüter (S. 114). Die Edition wird abgeschlossen mit einem umfangreichen Personen- und Sachregister, das allerdings für das Stichwort „Justizverwaltung“ und weitere Justizgegenstände etwas knapp ausgefallen ist. Es wäre nützlich gewesen, wenn die Edition über die Einleitung hinaus in den Anmerkungen auf wichtigere Gesetzesvorhaben etwas ausführlicher eingegangen wäre. Voll verständlich werden die oft knappen Regierungsprotokolle hinsichtlich der Gesetzesvorhaben erst, wenn man gleichzeitig die „Verhandlungen des Badischen Landtags“ und den jeweiligen Gesetzeswortlaut mit heranzieht. Auch Bd. 2 ist wie bereits Bd. 1 der Edition der badischen Regierungsprotokolle nicht nur von landesgeschichtlichem Interesse, sondern spricht auch Themen an, die für die Rechts- und Verfassungsgeschichte der Nachkriegszeit Deutschlands insgesamt von Bedeutung sind.
Kiel |
Werner Schubert |