Die Generalklausel im europäischen Privatrecht. Zur Leistungsfähigkeit der deutschen Wissenschaft aus romanischer Perspektive, hg. v. Baldus, Christian/Müller-Graff, Peter-Christian. Sellier, München 2006. XXIX, 193 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Nach einem Celsus-Zitat erklären die Herausgeber, dass sich in den letzten Jahren die Neigung verbreite, eine Antrittsvorlesung mit einem Symposion zu verbinden. Wer die vielleicht lange Reise zur Vorlesung sonst nicht oder nur aus Verbundenheit mit dem Referenten auf sich genommen hätte, dem werde solcherart ein weiterer wissenschaftlicher Grund zum Kommen geboten. Zugleich gewinne damit auch die akademische Kunstform Antrittsvorlesung selbst, weil es nicht mehr nur um zeremonielle Wiederbelebung möglicherweise inhaltsleerer Traditionen oder um akademische Selbstdarstellung gehe, sondern um Verknüpfung eines individuellen Forschungsprogramms mit einer Diskussion, die an einem bestimmten Standort geführt werde und über diesen hinaus wirken solle.

 

In diesem Sinne habe es sich angeboten, eine Heidelberger Antrittsvorlesung zu den methodologischen Grundlagen des Gemeinschaftsprivatrechts mit einem Kolloquium zur Außenansicht auf die deutsche Zivilistik zu verbinden. Diese Verknüpfung wurde am 28. und 29. April mit Hilfe der Fritz-Thyssen-Stiftung und der Stiftung der Universität Heidelbergverwirklicht. Dabei wurde versucht, in Überlagerung verschiedener nationaler und fachlicher Perspektiven ein erstes Bild der Außenwirkung zu skizzieren, das im vorliegenden Werk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

 

Dabei sind insgesamt sieben Arbeiten miteinander verbunden. Ohne ausdrücklichen Hinweis ist zu vermuten, dass die Antrittsvorlesung Christian Baldus betrifft. Er eröffnet den Band mit der historischen und vergleichenden Auslegung im Gemeinschaftsprivatrecht unter Konkretisierung der geringfügigen Vertragswidrigkeit.

 

Thomas Pfeiffer behandelt im Anschluss hieran die Generalklausel auf der Agenda der europäischen Privatrechtsangleichung. Die Generalklausel im deutschen und französischen Privatrecht vergleicht Peter Jung (Basel). Julien Walther (Metz) widmet sich der Konkretisierung von Generalklauseln am Beispiel der französischen deliktischen Haftung.

 

Die Generalklausel in Kontinentaleuropa untersucht in den allgemeinen Erwartungen an die deutsche Rechtswissenschaft Stefano Troiano (Verona), in den spezielleren Erwartungen der portugiesischen Rechtswissenschaft an die deutsche Rechtswissenschaft Paulo Mota Pinto (Coimbra). Francisco J. Andrés Santos (Valladolid) klärt darüber auf, was sich die Geschichte des europäischen Privatrechts von der deutschen Rechtswissenschaft erwartet. Das Schlusswort Peter-Christian Müller-Graffs zeigt hinsichtlich der Elemente einer gemeinschaftsprivatrechtlichen Dogmatik der Generalklausel auf, was die deutsche Wissenschaft vom europäischen Privatrecht leistet.

 

Im Anhang wird die lebhafte Diskussion wiedergegeben. Zusätzlich werden die Interpretation of blanket clauses, Méthodes de concrétisation des clauses générales und Percorsi verso la concretizzazione delle clausule generali geboten. Ein Sachregister und ein Rechtsquellenregister beschließen den eine Antrittsvorlesung aus der Vielzahl vieler Antrittsvorlesungen heraushebenden und zu einem wissenschaftlichen Ereignis erhebenden, die eingangs angesprochene Neigung vielleicht vertiefenden interessanten Band über die Generalkausel in Europas Privatrecht.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler