Des Menschen Würde - entdeckt und erfunden im Humanismus der italienischen Renaissance, hg. v. Gröschner, Rolf/Kirste, Stephan/Lembcke, Oliver W. (= Politika 1). Mohr (Siebeck). Tübingen 2008. XIII, 260 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Dass jedem Menschen ein innerer und zugleich sozialer Wertanspruch und Achtungsanspruch um seinetwillen zukommt, ist wohl erst in der abendländischen Neuzeit in das allgemeine Bewusstsein gelangt. Soweit ersichtlich ist diese Vorstellung auch erst am Ende des 18. Jahrhunderts zu der Bezeichnung Menschenwürde ausgestaltet worden. Sie findet sich in Friedrich Schillers Don Carlos (1787), bei Schlosser (1776-1861) und Blumauer (vor 1798). Nach den Ermittlungen der Herausgeber ist demgegenüber des Menschen Würde entdeckt und erfunden im Humanismus der italienischen Renaissance.

 

Den Nachweis dieser Erkenntnis eröffnen die in Jena, Heidelberg und Jena wirkenden Herausgeber mit einem kollegialen Dialog über die Renaissance der Würde. Wer Renaissance der Würde sage, müsse mit der Würde in der Renaissance beginnen. Darauf habe sich der in Heidelberg 2000 gegründete Arbeitskreis Ideengeschichte der Rechtsphilosophie verständigt und dementsprechend eine Tagung in Loccum vom 16. bis 18. September 2005 mit dem geringfügig abweichenden Titel Des Menschen Würde - (wieder)entdeckt oder erfunden im Humanismus der italienischen Renaissance? abgehalten, deren 12 Beiträge in dem Sammelband vereinigt sind.

 

Von den drei allgemeiner einführenden Erörterungen behandelt Manfred Walther das Verhältnis zwischen Renaissance-Forschung und Wissenschaftsemigration an Hand des zeitgeschichtlichen Kontexts der Entdeckung/Erfindung des Bürgerhumanismus in Florenz. Lorenz Schulz sucht nach dem juristischen Potential der Menschenwürde im Humanismus. Martin Leiner widmet sich der Beziehung zwischen Menschenwürde und Reformation.

 

Auf Coluccio Salutati (1331-1406) greift unter dem Aspekt von Willensfreiheit und Recht (De necessitate facimus voluntatem) Paul Richard Blum besonders zu. Giannozzo Manettis (1396-1459) Entwurf einer politisch-sozialen Würde des Menschen (Wir sind für die Gerechtigkeit geboren) behandelt Alexander Thumfart. Mit der Begründung der Menschenwürde bei Marsilio Ficino (1433-1499) und der Bedeutung seiner Reflexionen für Grundfragen der heutigen Ethik befasst sich Alexander Lohner.

 

Die Freiheit des Menschen im Angesicht Gottes ermittelt Hartmut Westermann an Hand von Lorenzo Vallas (1405-1457) De libero arbitrio. Philologische Ergänzungen und eine systemtheoretische Provokation, betreffend Gott und die moderne Gesellschaft, bietet Joachim Lege für das Verhältnis von Freiheit und Würde des gleichen Humanisten. Das Vermächtnis der Oratio de hominis dignitate Giovanni Pico della Mirandolas (1463-1494) erkennt Oliver W. Lembcke in der Würde des Menschen, frei zu sein.

 

Nach den sechs auf einzelne Verfasser bezogenen Untersuchungen beginnen wieder allgemeinere Überlegungen mit Stephan Kirstes Verbindung von Renaissancehumanismus und gegenwärtiger Verfassungsdiskussion (Menschenwürde und die Freiheitsrechte des status activus). Rolf Gröschner ergründet die humanistische Tradition des Verfassungsprinzips „des Menschen Würde“, Theo Kobusch die Frage des Erbes der christlichen Philosophie. Am Ende ihres Dialogs stimmen die Herausgeber des durch Register erschlossenen, weiterführenden Bandes darin überein, einen Aspekt der dignitas hominis philosophisch oder doch zumindest ideengeschichtlich als Erfindung bezeichnen zu können - die Subjektivität, die dem Freiheitsbegriff der Renaissancehumanisten spezifisch neuzeitlichen Gehalt verleiht.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler