Brunner, Karl, Leopold der Heilige. Ein Portrait aus dem Frühling des Mittelalters. Böhlau, Wien 2009. 253 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Nach dem Vorwort des bekannten Verfassers wurde das Buch in einer Zeit geschrieben, in der -wie oft - schwierige Fragen am Institut für österreichische Geschichtsforschung und an der Universität Wien zur Lösung anstanden. Da er es aber sich schuldig war, sich zwischendurch zu beweisen, dass er vor lauter Organisationsarbeit sein Handwerk nicht ganz verlernte, widmete er sich sachkundig dem Babenberger Markgraf Leopold III. 1095-1136. Dabei hielt er den Anmerkungsapparat so knapp wie möglich und verwies im Übrigen auf die weiterführende Literatur im Anhang.

 

Das Buch stützt sich nach den einleitenden Worten des Verfassers auf die akribische Forschungsarbeit zahlreicher Kolleginnen und Kollegen. Von einigen darunter hätte er es lieber gelesen, als es selber zu schreiben. Während der aus schlichter Neugier aufgenommenen Arbeit begann er zu verstehen, warum seit 1985 keine wissenschaftlichen Biographien Leopolds III. mehr vorgelegt wurden, und entschied sich dafür, sozusagen gleichzeitig zwei Biographien darzustellen, die der realen Person und die der historischen Figur, wobei von den ersten 33 Jahren fast kein Wissen vorhanden ist und Rätsel bleiben werden müssen, aber zumindest benannt werden sollen.

 

Der an den Beginn gestellte Versuch über die Anfänge kommt vom Ende des bei der tödlichen Verletzung vom 15. November 1136 deutlich mehr als 60 Jahre aufweisenden und damit wohl um 1075 geborenen, etwa 1,77-1,80 Meter großen, breitschultrigen Markgrafen her. Er umgreift das werdende Land in Familie, kirchlicher Organisation, Adel, Familia und Dienstleuten, Ministerialen sowie Wirtschaft und hebt die Prägungen hervor. Aus der Dichtung werden Ruodlieb, die Wiener Genesis, die Vorauer Bücher Mosis, Frau Ava, das Sankt Trudperter Hohelied und das Melker Marienlied nachdrücklich eingebunden.

 

Das zweite Leben des Leopold B. beginnt damit, dass Leopold III. und die Kaisertochter und Stauferwitwe Agnes erst so recht in das Licht der schriftlichen Überlieferung eintreten, als sie schon ein für die damaligen Verhältnisse erfülltes Leben hinter sich hatten. Die Wende kam mit dem berühmten Abfall Leopolds vom alten Kaiser 1105. Agnes hatte dem um einiges älteren Friedrich von Staufen bereits fast ein Dutzend Kinder geboren, war etwa 30, wollte offenbar dieses neue Abenteuer eingehen und überlebte Leopold nach 17 oder 18 weiteren Kindbetten um sieben Jahre.

 

Auch im zweiten Leben stehen Haus und Familia im Mittelpunkt. Große Bedeutung wird dem Verhältnis zu den Klöstern und der Stellung als Kandidat beigemessen. Die frühe Blüte des Geistes erweist der Verfasser an Otto von Freising, Abaelard, Hartmann und Gerhoch von Reichersberg.

 

Das abschließende dritte Kapitel berichtet vom Weiterleben des 1485 heilig gesprochenen Leopold in Nachfolge, Nachwort und Nachleben. Im Laufe der Arbeit ist der Held, der er gar nicht war, dem Verfasser nicht unsympathisch geworden. Im Frühling des Mittelalters versteht auch er ihn als einen der bedeutendsten Fürsten, unter dessen maßgeblichem Einfluss er aus der Mark Österreich ein zukunftsreiches Land werden sieht.

 

Innebruck                                                                   Gerhard Köbler