Bremkamp, Till, Causa. Der Zweck als Grundpfeiler des Privatrechts (= Schriften zum bürgerlichen Recht 380). Duncker & Humblot, Berlin 2008. 339 S. Besprochen von Martin Schermaier.
1. Der Reihentitel verrät, dass die Dissertation von Till Bremkamp als zivilrechtliche Arbeit angelegt ist. Wenn man das Buch zu lesen beginnt, hat man zunächst aber einen anderen Eindruck: sein erster Teil, gut die Hälfte des Buchs, beschäftigt sich mit der „causa in der Entwicklungsgeschichte des Vertragsdenkens“. Nur das ist der Grund, warum das Buch in dieser Zeitschrift vorgestellt werden soll. Wenn ich mich gleichwohl auch zum zweiten, zum dogmatischen Teil äußere, dann deshalb, weil die dort angestellten Überlegungen auf einen Fehler in der Beobachtung der historischen Entwicklung der causa-Lehre zurückgehen dürften. Dieser Fehler unterläuft dem Autor in einem ganz subtilen, für die Bewertung der causa-Lehre aber entscheidenden Bereich, bei der Bewertung des Einflusses philosophischer Konzepte auf die gemeinrechtliche Diskussion. Obwohl man von einem Dissertanten, noch dazu, wo es an sachkundiger Anleitung fehlte, nicht erwarten wird, dass er diesen Bereich überblickt, hätte sich dieser Fehler vermeiden lassen, wenn der Autor einen anderen methodischen Ansatz gewählt hätte. Wenn er zu zeigen versucht, dass „es gerade die causa ist, welche sich als ein gleichsam ‚roter Faden’ durch die Geschichte des Vertragsdenkens zieht“ (S. 22), dann liegt die Gefahr nahe, im Vergangen das Heutige zu sehen und die verschiedenen Entwicklungen und Zusammenhänge nicht hinreichend voneinander zu unterscheiden.
Causa ist ein vieldeutiger Begriff. Wenn die Quellen von causa reden, können sie den (rechtlichen) „Grund“, den „Zweck“, den „Anlass“, die „Voraussetzung“, aber auch den „Gegenstand“, den „Hintergrund“ oder einen „Umstand“ bezeichnen (vgl. die Angaben im VIR, Bd. 1, Sp. 651-699). Auch die Philosophie verwendete keinen einheitlichen oder feststehenden causa-Begriff; vor allem zwischen der causa als Ursache in der Ontologie und Naturphilosophie und der causa als Zweck oder Anlass in der Moralphilosophie ist zu unterscheiden. Es wäre verwunderlich, wenn das gemeine Recht auf dieser Grundlage einen einheitlichen causa-Begriff geschaffen hätte, der im modernen Recht nachwirkt. Tatsächlich operieren wir auch heute mit ganz verschiedenen causa-Begriffen. Wenn wir von „Motiven“ einer Willenserklärung reden, meinen wir die causa für eine einzelne Handlung – gleichgültig, ob sie (worüber man im gemeinen Recht gestritten hatte) causa finalis oder causa impulsiva ist. Wenn wir von der causa eines Vertrags reden, meinen wir einen vereinbarten Zweck, also das, was beide Parteien (ausgesprochen oder stillschweigend) mit dem Vertrag erreichen wollen. Zwischen diesen beiden Ansätzen, dem Zweck der eigenen Handlung und dem Zweck des Vertrags, gilt es im wesentlichen zu unterscheiden, wenn man die causa-Lehre vom römischen Recht durch ihre gemeinrechtlichen Entwicklungen hin bis heute verfolgen möchte. Die Wandlung des römischen Kontraktsschemas zu einer handlungstheoretisch basierten Versprechenslehre hat die Grenze zwischen diesen beiden Ansätzen ohne weiteres überschritten. Wer die Grenzeüberschreitung und damit den Kategorienwechsel nicht erkennt, kann die historischen Erscheinungen der causa-Lehre nicht erklären. Deshalb scheitert Bremkamp mit seinem Versuch, mit der causa-Lehre den (!) Zweck als Grundpfeiler des gemeinrechtlichen Vertragsrechts vorzustellen genauso wie sein Vorbild Ehmann (vgl. Horst Ehmann, Zur Causa-Lehre, JZ 2003, 702ff.).
Neben Handlungs- und Vertragszweck bestehen „objektive“, vom konkreten Willen der Handelnden unabhängige Wirksamkeitsvoraussetzungen für rechtsgeschäftliches Akte, die wir teilweise seit römischer Zeit auch als causa beschreiben, die mit Handlungs- und Vertragszweck aber nichts zu tun haben: die causa traditionis und die causa solutionis. Hier geht es nicht um einzelne oder vereinbarte Zwecke, sondern um die Begründung einer Vermögensverschiebung. Manche haben versucht, die eine Kategorie von der anderen dadurch zu scheiden, dass man von „innerer“ und „äußerer“ Kausalität oder Abstraktion gesprochen hat (dazu auch Bremkamp, etwa S. 261ff.). Das führt zu der kürzlich von Tu (Chanfeng Tu, Abstrakte Verfügungen und kausale Verpflichtungen?, Baden-Baden 2007) ins Licht gerückten, scheinbaren Paradoxie, dass Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte gleichermaßen abstrakt oder kausal verfasst sein können.
2. Die Arbeit besteht, wie gesagt, aus zwei Teilen, einem historischen (S. 21-143) und einem dogmatischen (S. 144-302). Eingerahmt sind sie von einer „Einführung“ (S. 15-20) und einer „Summa“ (S. 302-305). Der erste Teil wieder besteht aus drei Kapiteln, den „Grundlagen des europäischen Vertragsdenkens“ (S. 23-65), der „Entwicklungsgeschichte des europäischen Vertragsdenkens“ (S. 66-140) und einer Zusammenfassung, auch hier „Summa“ genannt (S. 140-143). Als die Grundlagen des europäischen Vertragsdenkens macht Bremkamp römisches, kanonisches und germanisch-altdeutsches Recht aus. Die Ausführungen zu allen drei Gebieten folgen der Sekundärliteratur, eigene Quellenarbeit leistet der Autor nicht. Als Rückgrat der Darstellung des römischen Vertragsrechts dienen Bremkamp Kasers Handbuch und das Lehrbuch von Kaser/Knütel. Der aktionenrechtliche Ansatz des römischen Vertragsrechts kommt in der Darstellung zu kurz, auch wundert man sich darüber, dass die stipulatio „Zauberformel“ gewesen sei (S. 28) oder doch wenigstens „fömelnde“ Rede (S. 29). Auch sonst finden sich manche Fehler und Ungenauigkeiten; bei der Aufzählung der res mancipi etwa vermisst man die Feldservituten (S. 43), oder man liest überrascht, es sei „herrschend(e) Überzeugung“ (S. 47), dass Iul. D. 41,1,36 interpoliert ist. In der Darstellung zum kanonischen Recht, in der Bremkamp vor allem der Verbindlichkeit der pacta nuda nachspürt, vermisst man Peter Landaus jüngsten Aufsatz (in der FS für Knut Wolfgang Nörr, 2003, 457ff.). Die einschlägigen Kapitel aus dem HKK, etwa der Kommentar Oestmanns zu den §§ 145-146, sind nicht erwähnt. Seinen Gewährsleuten (Söllner, Mayer-Maly, Ruland) folgend stellt Bremkamp auch kurz die philosophischen, insbesondere scholastischen Grundlagen der causa-Lehre dar. Leider lässt sich weder hier noch im nächsten Abschnitt erkennen, welche dieser Konzepte die vertragliche causa-Lehre mitgestaltet haben. Rätselhaft bleibt, warum kanonische pacta-Lehre und scholastische causa-Lehre in einem gemeinsamen Abschnitt abgehandelt werden. Den Seitenblick auf das „germanisch-altdeutsche“ Vertragsrecht hätte Bremkamp sich ganz ersparen können.
Die „Entwicklungsgeschichte des europäischen Vertragsrechts“ folgt in ihrem allgemeinen Teil Wieackers Privatrechtsgeschichte, im vertragsrechtsgeschichtlichen vor allem den Arbeiten von Seiler, Söllner und Nanz. Die Arbeiten Gordleys (etwa The Philosophical Origins of Modern Contract Doctrin, 1991), die für das Vorhaben des Autors äußerst nützlich gewesen wären, wurden nicht herangezogen. Bei der Orientierung an der Sekundärliteratur hat Bremkamp das eine oder andere falsch verstanden: Für die Theologen war die Bibel gewiss nicht ratio scripta (S. 69), sondern bestenfalls als Wort Gottes vernünftig. Auch kann man den Liber Extra nicht einfach als „zweites Rechtsbuch“ des Corpus iuris canonici bezeichnen (S. 79). Seltsamerweise trennt Bremkamp die Darstellung des Vertragsrechts im Usus modernus von jener zur naturrechtlichen Versprechenslehre und lässt hier wie dort die treibende Kraft der Moraltheologie und Moralphilosophie, die für die Verbindlichkeit jedes Versprechens wirkte, außer Betracht. So muss er sich wundern, dass die reformierten Juristen der angeblich kirchenrechtlichen Lehre von der Verbindlichkeit aller pacta folgten (S. 89). Zusammenhänge in der Diskussion zwischen Naturrechtlern und Vertretern des Usus modernus bleiben außer Betracht. Vor allem in diesem Kapitel macht sich bemerkbar, dass Bremkamp nicht von Anfang an (oder doch wenigstens von der Schilderung der mittelalterlichen Diskussion an) darauf hinwies, dass es den Zivilisten mit der causa-Lehre vor allem um Ordnung des römischen Vertragsschemas ging, während die Theologen und Kanonisten diese Lehre für die Bewertung einzelner Handlungen einsetzten. In der naturrechtlichen Lehre spielte die Bewertung einer (zurechenbaren) Handlung, also eines gültigen Versprechens, überhaupt keine Rolle, weshalb die causa-Lehre seither als entbehrlich gilt. Dass sie im Code civil so prominent kodifiziert wurde, verdankt sie der römisch-gemeinrechtlichen Fundierung von Pothiers Vertragsrecht. Diese Hintergründe bleiben unbeleuchtet, mögliche Zusammenhänge zwischen juristischer und theologischer causa-Lehre daher unklar. Man wundert sich nur, dass Domat und Pothier sich plötzlich wieder an die causa als Konstituens des Vertrags erinnerten (S. 112ff.). Dass nebenbei auch das Irrtumsrecht des Code civil verhandelt wird (S. 117f.), ist wohl einer Assoziation (falsa causa) geschuldet. Auch hier hätte der Autor sehen müssen, dass es im Irrtumsrecht nur um die causa einer einzelnen Handlung geht, während das Vertragsrecht nach einer gemeinsamen oder gar vereinbarten causa fragt.
Erwartungsgemäß werden anschließend auch das ALR und das ABGB untersucht und auf Reste einer causa-Lehre abgeklopft. Auch hier unterlaufen einige handwerkliche Fehler; so wird das ALR als „deutsches“ Allgemeines Preußisches Landrecht betitelt (S. 122) oder das ABGB beharrlich als „österreichisches Allgemeines Gesetzbuch“ angesprochen (S. 132ff.). Dass das „Sachenrecht“ des ABGB nichts (oder doch nur wenig) mit dem „Sachenrecht“ zu tun hat, wie es ein BGB-Jurist versteht, ist dem Autor offenbar nicht klar (S. 134). Die Entstehungsgeschichte des BGB wird erst im zweiten, im dogmatischen Teil der Arbeit verhandelt (S. 148-164 für die Verpflichtungsgeschäfte, S. 213-228 für die Verfügungsgeschäfte). Die Diskussion über die causa im Vertragsrecht wurde während der Gesetzgebungsarbeiten vor allem von der Frage bestimmt, ob es ein abstraktes Schuldversprechen geben sollte. Seltsamerweise taucht die wichtige Arbeit Siegels (Das Versprechen als Verpflichtungsgrund, 1873) zwar im Literaturverzeichnis auf, nie aber in den Ausführungen Bremkamps. Auf einer inhaltlich ganz anderen Ebene verlief die Diskussion über die Möglichkeit abstrakter Verfügungsgeschäfte; hierzu kann der Autor weitgehend den Vorarbeiten Felgentraegers und Ranieris folgen. Im Übrigen widmet sich Bremkamp im zweiten Teil der Aufgabe, Spuren der verschiedenen causa-Lehren in den Bestimmungen des BGB zu folgen und ihren Zusammenhang nachzuweisen. Nur an wenigen Stellen blitzt die Erkenntnis auf, dass „Zweck“ nicht gleich „Zweck“ ist, dass insbesondere bei den Leistungskondiktionen zwischen einem vereinbarten Zweck als Schuldgrund (Rechtsgrund) und einem individuellen Zweck der „Leistung“ als zweckgerichteter Vermögensmehrung zu unterscheiden ist (S. 238 und 268). Hätte Bremkamp die Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser zwei ganz verschiedenen Ansätze der gemeinrechtlichen causa-Lehre auch im Rahmen der historischen Darstellung beachtet, hätte er vielleicht neue Erkenntnisse zu Tage gefördert.
In formaler Hinsicht bleibt zu kritisieren, dass der Autor eine ganze Reihe von Schreibfehlern und Druckfehlern übersehen hat (etwa „Schmindiger“ statt „Schmidinger“, S. 97f.; mores honierni statt hodierni, S. 84 und öfter) und zu seltsamen Wortschöpfungen (etwa „Kausalheit“, S. 52; „glossatorisch“, S. 74, „Baldsche“, S. 78) und Formulierungen (etwa S. 263: „kann sich bedient werden“ statt „kann man sich bedienen“) ebenso neigt wie zu verqueren Bildern (etwa S. 65: „entblößt sich als Irrtum“, S. 81: „zu einem allgemeinen Vertragsbegriff durchgestoßen“). Auch manche Worte, die den Leser an unliebsame Erfahrungen bei der Korrektur von Hausarbeiten erinnern, wiederholt der Autor beharrlich (etwa: „zuvörderst“ statt „zuerst“ oder „vor allem“).
3. Die Kritik an Methode und Inhalt vor allem des rechtshistorischen Teils dieser Dissertation soll nicht übertrieben werden. Bremkamp wollte offenbar keine rechthistorische Untersuchung schreiben, sondern schien von der Frage nach dem „Woher“ der modernen Dogmatik bewegt, ja fasziniert gewesen zu sein. Zwar entschuldigt eigenes Interesse nicht die zahlreichen kleinen und großen Fehler, doch wie will man sie einem Autor vorwerfen, der mit Begeisterung sein Bestes leistet? Die Sichtung der einschlägigen Sekundärliteratur und das Bekanntmachen mit den antiken und mittelalterlichen Quellen hat dem Autor nicht nur Zeit und Mühe gekostet, sondern ihn zweifellos in verschiedener Hinsicht bereichert. Die Erkenntnis, dass – wie Windscheid formulierte – alles geltende Recht ein Gewordenes ist, ist Bremkamp nicht mehr zu nehmen und sie wäre doch so vielen anderen Zivilrechtlern zu wünschen.
Warum aber hat Bremkamp keinen Rechtshistoriker konsultiert? Er hätte ihm hier und dort den Weg weisen können und, wenn das zu aufwendig erschienen wäre, wenigstens einige Schnitzer glätten können. Mit dieser Frage kommen wir zur zweiten Seite der Ignoranz des Autors oder seines Betreuers. Rechtshistorische Forschung betreibt man nicht, indem man Sekundärliteratur auswertet und kompiliert. Wer sich nicht selbst auf die Quellen einlässt, also lernt auf die Eigenart von Quellen verschiedenster zeitlicher Herkunft hinzuhören, bereit zu sein für Ungewöhnliches und Unmodernes, für neue und dem Forschungsstand widersprechende Erkenntnis, der kann nicht als Rechtshistoriker gelten und der sollte rechtshistorisches Arbeiten besser anderen überlassen. Das Sammeln von Meinungen ist zwar interessant, kann aber nur das Ziel von Lehrbüchern und Lexika sein. Wer eine Dissertation verfasst, oder wer sonst monografisch arbeitet, der muss seine Untersuchung bei den Quellen beginnen.
Zum Schluss bleibt die unbequeme Frage, wie ein junger Zivilrechtler überhaupt auf den Gedanken kommen kann, durch eifriges Studium der Literatur die historischen „Grundpfeiler“ des modernen Rechts aufdecken zu wollen? Nun mag man sich damit begnügen, sich über das Interesse des Doktoranden zu freuen. Doch habe ich den Verdacht, dass hinter dem Versuch Bremkamps mehr stecken könnte als Neugier: vielleicht die Überheblichkeit des Zivilrechtlers, das bisschen Rechtsgeschichte ohne weiteres selbst „abdecken“ zu können? Das ist ein gefährlicher Verdacht, ich weiß. Gefährlich ist er aber nicht deswegen, weil er zivilrechtliche Kollegen verschrecken könnte. Im Zweifel kümmert sie dieser Vorwurf nicht. Gefährlich ist er, weil er uns Rechtshistorikern vorhält, solche Überheblichkeit womöglich zu fördern, und zwar damit zu fördern, dass als rechtshistorische Forschung verkauft wird, was doch nur Kompilation von Literatur ist. Das nämlich kann, bei gehörigem Eifer, tatsächlich jeder.
Bonn Martin Schermaier