Boshof, Egon, Europa im 12. Jahrhundert. Auf dem Weg in die Moderne. Kohlhammer, Stuttgart 2007. 346 S. Besprochen von Klaus Richter.

 

Mit diesem Band legt der Autor, von 1979 bis 2002 Inhaber des Lehrstuhls für mittelalterliche Geschichte an der Universität Passau, einen gelungenen und sehr ausführlichen Überblick über die Geschichte Europas im 12. Jahrhundert vor. Warum wählt der Verfasser gerade dieses Jahrhundert und nicht ein anderes, beispielsweise das 10. Jahrhundert? Hat nicht jedes Jahrhundert seinen Anteil an der europäischen Geschichte bis hin zum modernen, von Nationalstaaten geprägten Europa? Gewiss ist das so, doch glaubt der Verfasser, dass gerade im 12. Jahrhundert entscheidende Weichenstellungen für den Weg in die Moderne vorgenommen wurden, die für das heutige Europa prägend sind – und er vermag seine Auffassung auch gut zu begründen. In der Tat zeichnet sich das 12. Jahrhundert durch prägende Entwicklungen aus: Die Entwicklung des Städtewesens und damit verbunden ein Aufblühen der Wirtschaft, die Ausbreitung der Universitäten (ihre Entstehung geht bereits auf das 11. Jahrhundert zurück) und die damit verbundene Herausbildung einer intellektuellen Elite von Magistern und Scholaren, die Beendigung des Investiturstreites und die damit verbundene Stärkung des Papsttums, das „Sacrum Imperium“ der Stauferkaiser, der Aufstieg der Kapetinger in Frankreich, die Gründung neuer Orden und der Kontakt der europäischen Völker auf Pilgerfahrten und Kreuzzügen – was letztlich nicht nur nationale Ressentiments verstärken half, sondern auch kulturelle Gemeinsamkeiten entdecken ließ, und schließlich die Grundsteinlegung für den endgültigen Sieg der Reconquista in Spanien. Es waren aber auch die Kreuzzüge. In erster Linie konzentriert sich die Darstellung auf die geschichtliche Entwicklung, rechtshistorische Aspekte spielen eher eine untergeordnete Rolle, wenn auch der Verfasser die Entdeckung des Corpus Iuris Civilis (er bezeichnet ihn als Codex Iustinianus) für den Rechtsunterricht an den jungen Universitäten und das imperiale Verständnis der Stauferkaiser zu würdigen weiß. Rechtshistoriker, die über das 12. Jahrhundert arbeiten, sollten den Band aber dennoch zu Rate ziehen, denn Boshof gelingt eine umfassende Darstellung der Rahmenbedingungen, die auch Einfluss auf das Recht des 12. Jahrhunderts hatten – man denke hier nur an die im Zuge der Kreuzzugsbewegung aufkommende Diskussion zum gerechten Krieg und die Landfriedensbewegung, die sich in Deutschland vor allem die Staufer zunutze machten. Die Entwicklung des Rechts im Hochmittelalter (auf die Verwendung dieses Begriffes verzichtet der Verfasser explizit, vgl. S. 9) lässt sich nur vor dem Hintergrund der historischen Gesamtentwicklung verstehen. Einen kleinen Schönheitsfehler gibt es: Der Verfasser sieht im 12. Jahrhundert ein erstes Ausgreifen Europas über seine Grenzen hinaus. Gewiss stellen die Kreuzzüge ein solches Ausgreifen dar, doch sollten dabei die Erkundungsfahrten der Wikinger nicht übersehen werden, die bereits um das Jahr 1000 zur Entdeckung und (wenn auch nur kurzfristigen) Besiedelung Neufundlands führten. Während diese Fahrten der Wikinger bald wieder in Vergessenheit gerieten, wirken die Folgen der Kreuzzüge, die zu einer Verschärfung der Gegensätze zum Islam führten, bis heute fort, denn in der islamischen Welt sind sie bis heute nicht vergessen.

 

Berlin                                                                                                             Klaus Richter