Behringer, Wolfgang,
Im Zeichen des Merkur. Reichspost und
Kommunikationsrevolution in der frühen Neuzeit (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts
für Geschichte 189). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003. 861 S., 31
Abb., 9 Diagr., 18 Tab. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die Habilitationsschrift des in München 1956 geborenen, nach Studien von Geschichte, Politologie und Germanistik in München 1985 mit einer umfangreichen Arbeit über die Hexenverfolgung in Bayern - Volksmagie, Glaubenseifer und Staatsräson in der frühen Neuzeit (1987) promovierten Historikers, der durch zahlreiche weitere Veröffentlichungen in diesem Bereich bald zu einem der bekanntesten deutschsprachigen Hexenforscher wurde. Bereits 1990 legte er aber eine weitere stattliche Arbeit aus einem ganz anderen Bereich vor, welche die Familie Thurn und Taxis betraf und die Geschichte ihrer Post und ihrer Unternehmen verfolgte. Die Entstehung des World Wide Web bot ihm dabei und dann den Anlass zur Beleuchtung des ersten öffentlichen Netzwerks der Kommunikation einschließlich seiner Entstehungsbedingungen und seiner Auswirkungen.
Als ausschlaggebend für die entsprechende Beschäftigung erklärt er im Vorwort selbst die Entdeckung einer größeren Menge kaum genutzter Quellen zur Kommunikationsgeschichte. Der Blick für die Wechselwirkung von Infrastruktur und Gesellschaft wurde ihm geschärft durch Reisen in Mittelamerika, Südostasien und Südafrika. Muße zur Planung boten ab 1991 eine Stelle am Historischen Seminar der Universität Bonn und die Unterstützung durch Bernd Roeck, während die erforderlichen Finanzen vor allem die Volkswagen-Stiftung und die Deutsche Forschungsgemeinschaft zur Verfügung stellten.
Nach der im Jahre 1997 erfolgten Habilitation wurde Behringer Angestellter am Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen und vertrat den Lehrstuhl Winfried Schulzes in München. 1999 wechselte für die Early Modern History nach York. 2003 folgte er Richard van Dülmen in Saabrücken nach.
Die gewichtige Habilitationsschrift, die auch in dieser Zeitschrift nicht ganz fehlen darf, ist klar in fünf Abschnitte gegliedert. Die ausführliche Einleitung thematisiert die Kommunikation und stellt die Forschungslage dar. Danach schildert sie Fragestellung, Quellenlage und Vorgangsweise.
Der erste Sachteil widmet sich Netzwerk und Öffentlichkeit. Dabei werden unter Kanälen im Raum die Strukturmerkmale des europäischen Postwesens erarbeitet und wird die Gründung der Reichspost umsichtig untersucht. Danach wird in der Beziehung zwischen modernem Staat und Kommunikationspolitik vor allem das Postregal im Rahmen der guten Policey behandelt.
Der zweite Sachteil erfasst in moderner Diktion die Medienrevolutionen. Siege des Neuen über das Alte sind periodische Presse, Posthaus, Zeitungsverlag und Postnetz. Die Verfügung über den Raum zeigt sich im Personentransport im Linienverkehr, in der Kartographie und im Straßenbau, wobei am Ende die Kommunikation als Dienstleistung steht.
Etwas kürzer kommt die Kommunikationsrevolution im Zeichen des Merkur. Hier sieht der Verfasser den Beginn der Beschleunigung der Geschichte in der Taxis-Galaxis als der Etablierung eines Systems der Raumproportionierung zur Rationalisierung der Kommunikation, wobei der Take-off dieses Kommunikationswesens in das 17. Jahrhundert und damit in die Zeit der Scientific Revolution verlegt wird, wodurch die Welt in einen anderen Model gegossen wird. Am Ende steht das Netzwerk der Netzwerke.
Der Anhang bietet eine Zeittafel, rund 90 Seiten Quellen und Literatur sowie Register der Personen, Orte und Sachen. Insgesamt erweist sich so die Arbeit als eine neuartige, gelungene, anziehend formulierte Leistung. Die Weite des dabei sichtbaren Blickes beweist sich im Folgenden dabei an einer in kurzer Zeit mehrfach aufgelegten Kulturgeschichte des Klimas von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung ebenso wie die sorgfältige Detailarbeit am konkreten Gegenstand.
Innsbruck Gerhard Köbler