Behrens, Christian, Die Wassergesetzgebung im Herzogtum Braunschweig nach Bauernbefreiung und industrieller Revolution – zur Genese des Wasserrechts im bürgerlichen Rechtsstaat (= Rechtsgeschichtliche Studien 30). Kovač, Hamburg 2009. 528 S. Besprochen von Werner Schubert.
Die Gesetzgebung der kleineren deutschen Staaten im 19. Jahrhundert ist immer noch ein Desiderat der rechtshistorischen Forschung, so dass es zu begrüßen ist, dass Behrens sich eines wichtigen Teils der gesetzgeberischen Aktivitäten des Herzogtums Braunschweig angenommen hat. Braunschweig war seit der Neuen Landesordnung von 1832 eine konstitutionelle Monarchie mit einer Repräsentativverfassung; Gesetze bedurften sowohl der Zustimmung des Herzogs als auch der Landesversammlung. Die durch die Bauernbefreiung und die Flurbereinigung (ab 1834) ausgelösten Agrarreformen steigerten den Wasserbedarf der Landwirtschaft, die zu erheblichen, mit dem überkommenen Recht kaum mehr zu lösenden Konflikten vor allem mit den Mühlenbetrieben führte. Während die Regierungsvorlage vom November 1850 ein einheitliches Gesetz über „Entwässerung und Bewässerung der Grundstücke und über Stauanlagen“ vorsah, teilte die Landesversammlung im Interesse einer besseren Überschaubarkeit der Rechtsmaterie 1851 die Vorlage in ein primär öffentlichrechtlich orientiertes Flussgesetz und in ein Gesetz, „die Erhaltung der öffentlichen Flüsse und sonstigen Wasserzüge, sowie Veränderungen auf denselben betreffend“, welch letzteres primär privatrechtlich orientiert war, auf. Neben der Stärkung der Verwaltung, die das öffentliche Interesse zu berücksichtigen hatte, ermöglichte die neue Gesetzgebung von 1851 im Interesse einer möglichst effektiven Entwässerung des Bodens auch Zwangsenteignungen und eine Pflicht zur Teilnahme an Entwässerungsvorhaben. Das Wassergesetz von 1876 fasste die beiden Gesetze von 1851 zu einem weitgehend generell-abstrakt ausgestalteten knappen Regelwerk zusammen, das erst durch das Niedersächsische Wassergesetz von 1960 aufgehoben wurde. Das neue Wasserrecht sollte alle volkswirtschaftlichen Interessen und damit auch der zahlreichen Zuckerfabriken des Herzogtums berücksichtigen. Entgegen dem Wunsch der Staatsregierung blieb der Unterschied zwischen öffentlichen und privaten Gewässern erhalten. Weitgehend neu geregelt wurde im Hinblick auf die Bewässerung des Bodens die Gewässerbenutzung. Der Gemeingebrauch an den öffentlichen Gewässern wurde abgegrenzt von der ortspolizeilichen Erlaubnis und der hoheitlichen Verleihung von Nutzungsrechten, die nur wegen überwiegender Nachteile oder Gefahren für das Gemeinwohl gegen Ersatz der für eine Anlage aufgewandten Kosten beschränkt oder aufgehoben werden konnten (S. 321).
Im ersten Teil seiner Untersuchungen geht Behrens umfassend auf die Entwicklung von Landwirtschaft und Industrie und deren Folgen für die Wasserversorgung ein (S. 51-89). Die Entstehung der Wassergesetze von 1851 und 1876 und insbesondere das Zusammenwirken der Akteure auf Seiten der Regierung und der Landesversammlung wird anhand der archivalischen Quellen und der Landtagsverhandlungen chronologisch und anhand der wichtigsten Regelungsbereiche, bezogen auf die Beratungen in der Landesversammlung, auch rechtssystematisch erschlossen. Die Darstellung wird ergänzt durch einen umfassenden Anhang (S. 323-510), der insbesondere neben den Gesetzesfassungen auch die Regierungsvorlagen und die Vorschläge der Landtagskommissionen dokumentiert. Weitgehend nicht berücksichtigt sind die Entwicklung des Wasserrechts in anderen Bundesstaaten und eventuelle Einflüsse des frühen braunschweigischen Wasserrechts auf deren Rechtsentwicklung. Ein Ausblick auf die Praxis und die Weiterentwicklung des Wasserrechts in Braunschweig wäre nützlich gewesen. Insgesamt liegt mit dem Werk von Behrens ein wichtiger Baustein zur Praxis der Gesetzgebung in den deutschen Einzelstaaten und zur Herausbildung des modernen Wasserrechts als eines zentralen öffentlichrechtlichen Rechtsgebiets im 19. Jahrhundert vor.
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Werner Schubert |