Behren, Dirk von, Die Geschichte des § 218 StGB (= Rothenburger Gespräche zur Strafrechtsgeschichte 4). Edition Diskord, 2004. 520 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Günter Jerouschek betreute, 2003 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Jena angenommene Dissertation des zeitweise als wissenschaftlicher Assistent in Jena und später als Richter am Amtsgericht Bückeburg tätigen Verfassers. Sie gliedert sich chronologisch in sechs Abschnitte, Auf wenigen Seiten behandelt dabei die Einleitung den römischen Rechtskreis, das kanonische Recht sowie das deutsche Recht und die deutsche Partikulargesetzgebung, für welche die Constitutio Criminalis Bambergenis des Jahres 1507 besonders bedeutsam ist.
Erster ausführlich erörterter Sachgegenstand ist die Abtreibungsgesetzgebung im deutschen Kaiserreich (1871-1918). Zutreffend geht der Verfasser dabei vom Strafgesetzbuch Preußens von 1851 aus und vergleicht dessen Bestimmungen mit den §§ 218-220 RStGB 1871, die er weder formal noch inhaltlich als „Neuschaffung“ ansieht. Zu Recht hebt er die Entwicklung bevölkerungspolitischer Strategien in dieser Zeit besonders hervor.
Danach wendet er sich der Abtreibungsgesetzgebung in der Weimarer Republik zu. Hier sieht er Wirtschaftskrise und gesellschaftliche Modernisierung als Grundlagen der Massenbewegung gegen § 218 StGB und als Ursachen für eine sich wandelnde Einstellung gegenüber der Empfängnisverhütung an. Auswirkungen kann er in der Teilreform vom 18. Mai 1926 und einem Urteil des Reichsgerichts vom 11. März 1927 feststellen.
Die Zeit zwischen 1933 und 1945 ist gekennzeichnet von den nationalsozialistischen Vorstellungen. Ausführlich stellt der Verfasser die sich daraus ergebenden Veränderungen dar, die vom Rechtsgut Lebenskraft des Volkes ausgehen. Sie reichen bis zu einem Erlass vom 14. März 1945 über die Unterbrechung von Schwangerschaften, die auf eine Vergewaltigung von Frauen durch Angehörige der Sowjetunion zurückzuführen sind.
Abschließend behandelt der Verfasser die Abtreibungsgesetzgebung in der Nachkriegszeit (1945-1949) und in der Bundesrepublik. Die Grenze zieht er mit dem umstrittenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Februar 1975 und dem fünfzehnten Strafrechtsänderungsgesetz vom 18. Mai 1976, so dass die weitere Entwicklung der Abtreibungsgesetzgebung bis 1995 einem Überblick vorbehalten bleiben kann. Am Ende gelangt die ausführliche Untersuchung zu dem Ergebnis, dass sich die rechtshistorisch fundierte Auffassung durchgesetzt zu haben scheint, dass die Gewissensentscheidung über den Abbruch der Schwangerschaft letztverantwortlich nur von der Frau getroffen werden kann und allein durch die Androhung strafrechtlicher Sanktionen nicht zu beeinflussen ist.
Innsbruck Gerhard Köbler