Ars iuris. Festschrift für Okko Behrends zum 70. Geburtstag, hg. v. Avenarius, Martin. Wallstein, Göttingen 2009. 681 S., Ill. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Okko Behrends ist einer der bekanntesten deutschen Rechtsromanisten der Gegenwart. Deswegen wird die ihm zum 70. Geburtstag gewidmete Festschrift in der romanistischen Abteilung ausführlich gewürdigt werden. Sie verdient aber wenigstens einen Hinweis auch in der germanistischen Abteilung, weil der Jubilar sich auch über das römische Recht im engeren Sinn hinaus um die geschichtlichen Grundlagen des Rechts und der Rechtswissenschaft sehr verdient gemacht hat.

 

Geboren wurde Okko Behrends in Norden/Ostfriesland am 27. Februar 1939 als siebtes Kind eines Unternehmers, der das 1887 gegründete Teehaus Onno Behrends und die Rauchtabakfabrik Steinbömer & Lubinus betrieb. Nach dem Abitur des Jahres 1958 studierte Okko Behrends Rechtswissenschaft in Freiburg im Breisgau, Genf, München und seit dem Wintersemester 1960 in Göttingen, wo Franz Wieacker 1958 im Michaelishaus in der Prinzenstraße das Institut für römisches Recht und gemeines Recht gegründet hatte. Unter Wieackers Anleitung rekonstruierte Behrends in seiner Dissertation über die römische Geschworenenverfassung den republikanischen Rechtsschutz und wandte sich in seiner Habilitationsschrift 1972 dem Zwölftafelprozess zu, wobei er mit großem Erfolg die Jurisprudenz mit den wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen verband und das nexum als archaisches Hegungsritual erklärte.

 

Als Schlüsselfigur erkannte er in den weitreichenden Zusammenhängen Marcus Tullius Cicero, der bei Quintus Mucius Scaevola als dem letzten Vertreter der stoisch beeinflussten vorklassischen Jurisprudenz gelernt, aber auch die von der durch Philos von Larissa und die Rhetorik vermittelten Philosophie der skeptischen Akademie geprägte methodische und systematische Begründung der spezifisch klassischen Jurisprudenz durch Servius Sulpicius Rufus miterlebt hatte. Hierauf nimmt der aus einer Stelle Ciceros aus der Schrift Brutus gewonnene Titel der Festschrift einleuchtend Bezug. Der Umschlag des Bandes verwendet deswegen auch eine Seite des Erstdrucks von Ciceros laus Servii (Rom 1469) zur bildlichen Veranschaulichung.

 

Die Einfallskraft des Geehrten hat ihn ein weitgespanntes Werk verwirklichen lassen, das in der umfangreichen Bibliographie zuverlässig verzeichnet ist und antikes römisches Recht (Siedlungsgeschichte und Vermessungswesen, Verfassungsgeschichte, Religion und Recht, Rechtswissenschaft und Philosophie in der Geschichte der römischen Jurisprudenz, das Privatrecht und seine Bedeutung in Verfassung, Wirtschaft und Gesellschaft, Prozess- und Gerichtsverfassungsrecht, Methoden der Romanistik, die geistigen Fortwirkungen des römischen Rechts),  neuere Privatrechtsgeschichte (Vorbedingungen der Rezeption des römischen Rechts, die historische Rechtsschule, die Freirechtsbewegung und der moderne Etatismus) sowie die Kodifikation des BGB und seine Anwendung mit gleicher Souveränität, wenn auch vielleicht nicht mit völlig gleichem Gewicht, umfasst. Seine einladende, von tief innen strahlende Freundlichkeit hat ihn weltweit viele Freunde gewinnen lassen und ihn sowohl in den weiten Westen wie auch in den fernen Osten geführt. Stets hat er dabei das Recht als ars verstanden und vermittelt.

 

In Anerkennung dieser beeindruckenden Lebensleistung haben dem Göttinger Nachfolger Franz Wieackers drei habilitierte Schüler eine eindrucksvolle Geburtstagsgabe geschenkt. Sie enthält insgesamt 35 Beiträge aus allen von Okko Behrends selbst behandelten und geförderten Sachgebieten. Von den Anfängen bis zur Gegenwart und von der Verfassung bis zum Testament behandeln Schüler, Freunde und Kollegen die verschiedensten Fragen - wie etwa die Frage „woher kommt das Recht?“ - in der Okko Behrends selbverständlichen weiterführenden Intuitivität und Sorgfalt, so dass die Lektüre des moderne Romanistik mit vielen Nachwirkungen des antiken römischen Rechts in allen Zeiten und an zahllosen Orten nahtlos und überzeugend verbindenden Werkes jeden Leser vielfältig belehren und bereichern wird.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler