Wendrich, Jörn, Die Entwicklung der familienrechtlichen Entscheidungsbefugnisse der Ehefrau. Vom BGB bis zum Gleichberechtigungsgesetz vom 18. 6. 1957 (= Europäische Hochschulschriften 2, 3580). Lang, Frankfurt am Main 2002. 374 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die ein Zitat von Emil Preetorius des Jahres 1907 voranstellende, von Werner Schubert angeregte und betreute, im Sommersemester 2002 von der juristischen Fakultät der Universität Kiel angenommene Dissertation des Verfassers. Sie gliedert sich in drei Abschnitte. Sie beginnt mit der Entwicklung der familienrechtlichen Entscheidungsbefugnisse der Frau bis zum Verfassungsauftrag des Art. 3 II GG, konzentriert sich dann auf diesen Verfassungsauftrag und seine Verwirklichung im Gleichberechtigungsgesetz von 1957 und fasst am Ende die Ergebnisse zusammen.

 

Der erste Abschnitt geht zunächst auf die Stellung der Frau in der gesellschaftlichen Entwicklung ein. Danach erörtert der Verfasser die Grundzüge der Entscheidungsbefugnisse der Frau im Verhältnis zum Mann und zu den ehelichen Kindern bis zum Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs einerseits und nach dessen Inkrafttreten andererseits. Besondere Berücksichtigung finden dabei die Kritik der Frauenbewegung (Maria Raschke, Anita Augspurg, Emilie Kempin), der Sozialdemokraten und anderer (Emil Preetorius, Marianne Weber, Marie Funk, Emmy Rebstein-Metzger, Ernst Dronke) sowie die Reformbemühungen während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft in der Akademie für deutsches Recht.

 

Im zweiten Abschnitt setzt der Verfasser mit dem Verfassungsauftrag des Grundgesetzes ein, greift in diesem Rahmen aber auch auf die Deutsche Demokratische Republik aus. Sehr detailliert untersucht er die Gesetzgebungsarbeiten bis 1953. Seine besondere Aufmerksamkeit findet zu Recht der Einfluss der christlichen Kirchen.

 

Danach behandelt der Verfasser die Rechtsprechung zwischen dem 1. April 1953 und dem 30. Juni 1958. Aus ihr ergibt sich die Notwendigkeit von Gesetzgebungsarbeiten auch in der zweiten Legislaturperiode zwischen 1953 und 1958. Auch hier haben Stellungnahmen und politische Einflussnahmen der katholischen und evangelischen Kirche sowie der Frauenbewegung wieder besonderes Gewicht.

 

Im Ergebnis sieht er mit Dölle das Gleichberechtigungsgesetz vom 18. Juni 1957 als vom Geist der vorsichtigen Anpassung an den Gleichberechtigungsgrundsatz erfüllt, so dass die Frauenbewegung von dieser halbherzigen Reform schwer enttäuscht sein musste. Die katholische Kirche war zwar zunächst durchaus erfolgreich, geriet aber in Widerspruch zur Lebenswirklichkeit, während die evangelische Kirche über kein wirklich geschlossenes Leitbild verfügte. Die sorgfältige Untersuchung endet mit einem Ausblick auf die anschließende Entwicklung und bietet im Anhang einen Überblick über die wichtigsten behandelten Rechtstexte, so dass sie für weitere Arbeiten zur deutschen Familienrechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts eine sehr gute Grundlage abgeben kann.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler