Weber, Hermann, Juristische Zeitschriften im Verlag C. H. Beck. Von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis zum Zeitalter der elektronischen Medien. Beck, München 2007. XVII, 335 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Wer in Deutschland den Ausdruck juristische Zeitschrift hört, denkt unwillkürlich an die Neue Juristische Wochenschrift. Sie erreicht wöchentlich mehr als 100000 Leser. Deswegen ist sie auch für den besten juristischen Fachverlag Europas ein Juwel, das der Juwelier selbst am gefälligsten der Kundschaft präsentieren kann.

 

Wie es sich in der Rechtswissenschaft gehört, so geschieht dies zurückhaltend elegant verpackt. In goldenen Lettern weist Hermann Weber auf seine juristischen Zeitschriften im Verlag C. H. Beck hin. Und zwar von den Anfängen bis zur Gegenwart.

 

Die Darstellung war ursprünglich als Beitrag zu der zum 75. Geburtstag des Verlegers Hans Dieter Beck erschienenen glanzvollen Verlagsfestschrift Rechtswissenschaft und Rechtsliteratur im 20. Jahrhundert gedacht, in der sie sich sicher sehr gut gemacht hätte. Der Umfang des zum Jahresende 2006 und damit gerade noch vor der Geburt des rechtshistorischen Myops abgeschlossenen Manuskripts ist aber nach dem Motto, wes das Herz voll ist, der kann das Publikum gut unterrichten und unterhalten, in Parallele zur Entwicklung des betrachteten Gegenstands im Laufe der Zeit so angewachsen, dass seine Veröffentlich am ursprünglich vorgesehenen Ort den Rahmen gesprengt hätte. Deswegen erscheint es in gleicher Ausstattung einige Wochen später zum mit einer eigenen reich bebilderten Festnummer ausgezeichneten 60. Geburtstag des Flagschiffes der Frankfurter Verlagsredaktion, der in ähnlicher Weise des Feierns besonders würdig ist.

 

Im Mittelpunkt des mehr als fünfzig Zeitschriftentitel umfassenden Werkes steht die Neue Juristische Wochenschrift. Aus der Zeit vor ihrer Gründung ist hinsichtlich des Verlags noch nicht viel besonders zu rühmen. Deswegen kann der Verfasser sich mit wenigen Seiten für die Blätter für administrative Praxis (1851), die Deutsche Notariatszeitung (1864) die Zeitschrift für Reichs- und Landesrecht mit besonderer Rücksicht auf Bayern (1873) und sonstige Periodika begnügen.

 

Der Startschuss zum seinerzeit nicht vorhersehbaren Erfolg fällt dann im Jahre 1933. In Folge des Schriftleitergesetzes vom 4. Oktober 1933 musste der Verleger Otto Liebmann seiner jüdischen Abstammung wegen zum Jahresbeginn 1934 die Tätigkeit als Herausgeber und Schriftleiter der von Paul Laband, Melchior Stenglein, Hermann Staub und ihm begründeten, später unter anderem von Eugen Schiffer, Heinrich Triepel und Max Hachenburg geführten Deutschen Juristenzeitung aufgeben. Am 15. Dezember 1933 verkaufte er seinen Verlag an die C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung, die als neuen Herausgeber und Schriftleiter Adolf Baumbach gewann, der allerdings zum 1. Juni 1934, mit dem die Zeitschrift auf Anordnung des Reichsrechtsführers Hans Frank vom Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen übernommen wurde, Carl Schmitt weichen musste, der etwas später ebenfalls verdrängt wurde.

 

Freilich trat der Erfolg nicht sofort ein. Vielmehr musste sich die etwa Beiträge von Dietz, Baumbach, Siebert, Krause, Mezger, Hueck, Molitor, Schröder und Würtenberger bietende Zeitschrift im September 1944 von ihren Lesern verabschieden. Im Zuge der durch den totalen Krieg bedingten Konzentrationsmaßnahmen auf dem Gebiet der Presse musste das inzwischen für die Akademie für deutsches Recht wirkende Periodikum vorläufig sein Erscheinen aufgeben und konnte „nur im unerschütterlichen Glauben an die Zukunft Deutschlands auf eine baldige Fortsetzung in gewohnter Form“ hoffen.

 

Dem standen freilich verschiedene widrige Umstände, wie etwa der Eintritt des Verlegers in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei im Jahre 1937, im Wege, die der Verfasser im Einzelnen darlegt. Deswegen konnte unter Federführung des juristischen Lektors der Berliner Filiale und früheren Verlagsredakteurs Alfred Flemming erst Anfangs Juni 1947 beschlossen werden, eine bzw. die Zeitschrift ab Mitte Oktober 1947 einmal monatlich mit jeweils 40 Druckseiten - und damit jährlich 480 Seiten - als Anwaltszeitschrift unter dem Titel Neue Juristische Wochenschrift, der an den seit 1872 in der Weidmannschen Buchhandlung in Berlin vorgelegten Titel Juristische Wochenschrift – Organ des deutschen Anwalt-Vereins anknüpfte („Die Wahl des Titels“ für eine Neuschöpfung unter einem neuen Titel in einem anderen Verlag und von anderen Herausgebern „bedeutete ein Programm, nicht eine Gleichstellung mit der alten JW“), von Frankfurt am Main aus erscheinen zu lassen. Gründungsherausgeber waren der Düsseldorfer Kammerpräsident Josef Cüppers, der Münchener Rechtsanwaltskammervizepräsident Valentin Heins und der Frankfurter Rechtsanwalt Walter Lewald.

 

Auf dieser Grundlage schildert der Verfasser in zehn Kapiteln den Weg der NJW zur echten „Wochenschrift“ (1947-1953), die Jahre der Konsolidierung (1954 bis 1974), die ebenfalls höchst erfolgreiche Ausbildungszeitschrift Juristische Schulung (1960ff.), als deren Schriftleiter er 1965 mit 28 Jahren seine Tätigkeit im Verlag aufnahm, den Neubeginn bei der NJW (1974 bis 1980), zu der er nach seinem Erfolg bei der Juristischen Schulung 1974 als Schriftleiter und Leiter der Frankfurter Abteilung des Verlags wechselte, die Expansion und Spezialisierung durch Ergänzungszeitschriften ab April 1980 (Neue Zeitschrift für Strafrecht, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht, Neue Zeitschrift für Sozialrecht, Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht u. a.), das besondere Verhältnis der Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht zur Neuen Juristischen Wochenschrift, die Neue Juristische Wochenschrift in der Zeit der ersten Zeitschriftenexpansion (1981-1989), die Stunde der Wiedervereinigung, die Ergänzungszeitschriften der neunziger Jahre und die Neue Juristische Wochenschrift in der Zeit der zweiten Zeitschriftenexpansion (1990 bis 2001): Als wichtigstes Problem erweist er dabei, dass trotz steigender Zunahme der Zahl der deutschen Juristen die beiden führenden Zeitschriften nach Höchstauflagen von 56000 bzw. 30000 Exemplaren sich einem Auflagenrückgang auf derzeit 46000 bzw. 11000 Exemplare gegenübersehen, der bisher durch noch so viele und starke Veränderungen nicht aufgehalten werden konnte. Gleichwohl ist er am Ende der Ansicht, dass dann, wenn Verleger und Redakteure sich nicht nur als Informationshändler – u. a. der derzeit rund 30000 in Deutschland jährlich veröffentlichten gerichtlichen Entscheidungen - verstehen, sondern stets auch ihre rechtskulturellen Aufgaben - vor allem der sachkundigen Auswahl von beispielsweise rund 1200 Entscheidungen jährlich - im Blick behalten, einem - und das heißt vor allem auch dem Verlag und der Redaktion - um die Zukunft der juristischen Fachzeitschriften - trotz der Veränderung der Medienlandschaft durch die unaufhaltsame Elektronisierung – nicht allzu bange zu sein brauche.

 

Insgesamt bietet so der beste Sachkenner einen eindrucksvollen Überblick über die Entwicklung der deutschen Rechtszeitschriftenlandschaft des 20. Jahrhunderts, an deren Gestaltung er in mehr als drei Jahrzehnten führend mitgewirkt hat. Im fast 1500 Namen umfassenden Personenregister ist daher er selbst zu Recht mit Abstand am häufigsten vertreten. Ein Zeitschriftenregister und ein Sachregister runden den trotz des vorbildlichen persönlichen Engagements objektiv und zurückhaltend verfassten Band vorteilhaft ab.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler