Waldow, Jörg Ernst August, Der strafrechtliche Ehrenschutz in der NS–Zeit (= Juristische Zeitgeschichte 1, Allgemeine Reihe 5). Nomos, Baden-Baden 2000. XXXVIII, 606 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Werner Schubert betreute, im Sommersemester 1999 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel angenommene, von Peter Glöckner trotz Zusage bisher leider nicht besprochene Dissertation des Verfassers. Sie beginnt mit einem Ausspruch des preußischen Justizministers Hanns Kerrl im Jahre 1933, nach dem die Ehre das höchste Gut ist, wertvoller als das Leben. Von daher fragt sie nach dem Ehrenschutz in der nationalsozialistischen Zeit und greift dabei vor 1933 zurück und über 1945 hinaus.

 

Einem sehr ausführlichen Inhaltsverzeichnis folgt eine kurze Einleitung. In ihr weist der Verfasser darauf hin, dass sein Thema bisher nicht umfassend untersucht wurde. Danach schildert er den Plan seiner Erörterung.

 

Ihm entsprechend behandelt er zunächst den Ehrenschutz im geltenden Strafrecht der  nationalsozialistischen Zeit an Hand des Begriffes der Ehre, des Kreises der geschützten Ehrenträger, des Tatbestands des § 185 RStGB, der Rechtswidrigkeit der Beleidigung und der Volksschädlingsverordnung. Danach wendet er sich der Strafrechtsreform in der nationalsozialistischen Zeit auf der Grundlage der Reformbestrebungen seit 1902 zu. Der vierte Teil betrifft den Ehrenschutz im neuen deutschen Strafverfahren, während anschließend ein Ausblick auf die Entwicklungen der Nachkriegszeit geboten wird.

 

Im Ergebnis erarbeitet der Verfasser überzeugend einen grundlegenden Bedeutungswandel der Ehre von liberalistisch-individualistischen Auffassungen des Bismarckreiches und der Weimarer Republik zu einer streng gemeinschaftsbezogenen Auffassung, nach der Träger einer vollwertigen Ehre nur sein konnte, wer sich bedingungslos in das völkische Leben einordnete und die ihm auferlegten Pflichten unter rückhaltlosem Einsatz seiner Kräfte treu und verantwortungsbewusst erfüllte. Allerdings beeinflusste der grundlegende Bedeutungswandel die praktische Handhabung des Beleidigungstatbestandes ab 1933 nur recht unwesentlich, weil Rechtsprechung und Lehre in vielen Fällen inhaltlich an ihren früheren Auffassungen festhielten. Vorschläge der amtlichen Strafrechtskommission knüpften im Übrigen weitgehend an Entwicklungen der Weimarer Zeit an. und die nationalsozialistischen Bestrebungen zur Neugestaltung des strafrechtlichen und strafprozessualen Ehrenschutzes blieben nach seinen Erkenntnissen überwiegend fruchtlos.

 

Für die Zeit nach 1945 stellt er verschiedene Kontinuitäten fest. Er führt sie aber in erster Linie darauf zurück, dass auch in der nationalsozialistischen Zeit vielfach nur an Auffassungen und Entwicklungen der Weimarer Zeit angeknüpft wurde. Der weitgehend theoretisch gebliebenen Überbewertung der Ehre in nationalsozialistischer Zeit stellt er kritisch die Gefahr der Unterbewertung gegenüber.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler