Volante, Raffaele, Il sistema contrattuale del diritto comune classico. Struttura dei patti e individuazione del tipo. Glossatori e ultramontani (= per la storia del pensiero giuridico moderno 60). Giuffrè, Mailand 2001. 507 S. Besprochen von Gunter Wesener.

 

Der Verfasser, Professor für diritto comune an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Ferrara, ein Schüler Paolo Grossis, behandelt in vorliegender Arbeit die Struktur der pacta in der Lehre der Glossatoren und Ultramontani. In der mittelalterlichen Jurisprudenz haben die pacta eine überaus wichtige Entwicklung durchgemacht und wesentlich zu einer Auflockerung des im römischen Schuldrecht bestehenden Typenzwanges beigetragen[1]. Einen entscheidenden Beitrag leistete vor allem auch die Kanonistik[2].

 

Im ersten Kapitel (S. 21-55) wird die Struktur des Vertrages in der Lehre der Glossatoren im Allgemeinen behandelt. Auf die verschiedenen Bedeutungen von conventio wird eingegangen (S. 47ff.), insbesondere auf das Verhältnis von conventio und pactum (S. 50).

 

Gegenstand des zweiten Kapitels (s. 57-97) ist das pactum in seiner juristischen Dimension. Die Ursachen für die Unwirksamkeit eines pactum können subjektiver oder objektiver Natur sein (S. 66ff.), wie dies bereits die Summa Trecensis[3] und die Summa Codicis des Rogerius zum Ausdruck bringen.

 

Das dritte Kapitel (S. 99-144) ist der Entstehung und Entwicklung der vestimenta pactorum gewidmet. Erste Systematisierungsversuche finden sich in der Summa Trecensis; diese verwendet den Ausdruck nuda pacta (vgl. S. 107). Die Summa Codicis des Placentinus (de pactis, p. 45) nennt fünf Wirkungen der pacta: Vires pactorum (sicut dictum est) sunt quinque: pariunt actionem, pariunt exceptionem, informant, elidunt et adiuvant (dazu der Verfasser S. 119f.). Die Summa (de pactis, p. 44) unterscheidet pacta nuda und pacta induta, mit einer Klage versehene pacta (S. 121 und 123). Bereits bei Placentinus findet sich somit eine, wenn auch noch unvollständige, Vestiturtheorie. Azo (Summa Codicis II 3 n. 14 u. 15) unterscheidet drei Kategorien von pacta, die klagbaren pacta vestita, aus besonderen Gründen klagbare pacta nuda (dazu zählen die pacta praetoria und legitima) und pacta nuda ohne Klagemöglichkeit. Pacta vestita sind die vier Kontraktsgruppen des römischen Rechts, ferner die pacta adiecta (‚contractus cohaerentia’) und die Innominatrealkontrake (‚rei interventu’) (dazu der Verfasser S. 133ff.). Als systematische Neuerung sieht der Verfasser die Einbeziehung dieser beiden letzten Gruppen in den Kreis der pacta vestita (S. 135ff.).

 

Das vierte Kapitel (S. 145-194) behandelt verschiedene Merkmale und Eigenschaften des Systems der pacta. So schuf die Glossa ordinaria (= Glossa Magna) ein weiteres vestimentum für das pactum, das auxilium legis[4] (S. 161ff.). Durch dieses vestimentum legis auxilio fanden nun auch die pacta praetoria und pacta legitima ihren Platz unter den pacta vestita[5]. Azo hatte sie noch als ausnahmsweise klagbare pacta nuda angesehen.

 

Das fünfte Kapitel (S. 195-261) über die Typisierung der Struktur des Rechtsschutzes, eigentlich ein Exkurs, ist dem Begriff und der Bedeutung von id quod interest bei den Glossatoren gewidmet. Eine frühe systematische Darstellung findet sich in der Summa Codicis des Rogerius (S. 213f.). Maßgeblich wurde auch für diesen Begriff die Behandlung durch Azo (S. 223). Bei diesem findet sich sowohl die Einteilung in Interesse circa und extra rem als auch die in Interesse singulare, commune und conventum[6].

 

Kapitel sechs (S. 263-339) ist dem Verständnis der Kontraktstypen gewidmet. Behandelt wird insbesondere der Schutz der Innominatkontrakte (S. 278ff.) durch die actio praescriptis verbis bzw. bei Vertragsauflösung die condictio causa data causa non secuta. Erörtert wird ferner die Rolle der causa, die Unterscheidung zwischen causa impulsiva und finalis, zwischen causa expressa und tacita (S. 294ff.).

 

Im Kapitel sieben (S. 341-405) erörtert der Verfasser eingehend die Lehren der Ultramontani (Jacobus de Ravanis, Petrus de Bellapertica) hinsichtlich der pacta, die sich doch wesentlich von denjenigen der italienischen Glossatoren unterscheiden[7]. Für die französischen Juristen, die doctores ultramontani, besteht nur ein vestimentum, nämlich rei interventus (S. 363; 391ff.). Die römischen Nominatkontrakte (mit Ausnahme der Realverträge) werden nicht unter den Oberbegriff der pacta gebracht (S. 364ff.). Die cohaerentia contractus als vestimentum wird abgelehnt (S. 396).

 

Auch das achte Kapitel (S. 407-492) befasst sich mit den Auffassungen der doctores ultramontani und ihren Einfluss auf Cinus da Pistoia. Jacobus de Ravanis anerkennt nur eine Art von Interesse, das interesse singulare als personenbezogene Schätzungsweise (S. 441ff., insbes. S. 448)[8].

 

Die Untersuchung zeigt neuerlich die große Bedeutung Azos, vor allem seiner Summa Codicis, für die Dogmengeschichte[9]. Höchst wertvoll sind die Ausführungen über die Lehrmeinungen der doctores ultramontani zu den pacta. Der Verfasser hat seine Arbeit bewusst strikt auf die italienischen Legisten und die französischen Ultramontani eingeschränkt. Nicht zu vergessen ist aber die wichtige Rolle, die der Kanonistik bei der Ausbildung der Klagbarkeit der pacta nuda zukam (vgl. oben Anm. 2); Hinweise darauf erschienen wohl sinnvoll. Recht spärlich wird die deutschsprachige Literatur zu dem Thema herangezogen. Wünschenswert wäre es, wenn den Digesten- und Codexzitaten in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Form auch stets Angaben nach der modernen Zitierweise beigefügt worden wären. Nützlich wäre ferner ein Quellenregister nach dieser Zitierweise. Diese formalen Wünsche beeinträchtigen aber keineswegs den materiellen Wert der Untersuchung, die einen vorzüglichen Einblick in das Wesen und die Struktur der mittelalterlichen Vertragslehre gewährt.

 

Graz                                                                                       Gunter Wesener



[1] Dazu K.-P. Nanz, Die Entstehung des allgemeinen Vertragsbegriffs im 16. bis 18. Jahrhundert (München 1985), passim, insbes. 31ff.

[2] Vgl. dazu Nanz, Entstehung (oben Anm. 1) 46ff.; P. Landau, Pacta sunt servanda. Zu den kanonistischen Grundlagen der Privatautonomie, in: Ins Wasser geworfen und Ozeane durchquert. FS für K. W. Nörr, hg. von M. Ascheri u. a. (Köln 2003) 457ff. Zur Bedeutung des kanonischen Rechts allgemein U. Wolter, Ius canonicum in iure civili. Studien zur Rechtsquellenlehre in der neueren Privatrechtsgeschichte (Köln-Wien 1975) passim, insbes. 23ff.

[3] Zur Summa Trecensis nun H. Lange, Römisches Recht im Mittelalter, I. Die Glossatoren (1997) 402ff.

[4] Glossa ‚Igitur’ in l. Iuris gentium § sed cum nulla (= D. 2, 14, 7, 4).

[5] Nanz, Entstehung (oben Anm. 1) 33.

[6] Dazu H. Lange, Schadenersatz und Privatstrafe in der mittelalterlichen Rechtstheorie (Münster-Köln 1955) 19ff.; H. J. Wieling, Interesse und Privatstrafe vom Mittelalter bis zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Köln-Wien 1970) 32ff.

[7] Vgl. dazu Nanz, Entstehung (oben Anm. 1) 34f.

[8] Vgl. Lange, Schadenersatz und Privatstrafe (oben Anm. 6) 27; Wieling, Interesse und Privatstrafe (oben Anm. 6) 74f., 95f.

[9] Zu Azo eingehend Lange, Römisches Recht im Mittelalter, I (oben Anm. 3) 255ff.; zum Verhältnis der Glossa ordinaria des Accursius zum magnus apparatus Azos nun H. H. Jakobs, Magna Glossa. Textstufen der legistischen glossa ordinaria (Paderborn 2006); vgl. dazu G. Köbler, ZRG Germ. Abt. 124 (2007) 492f.; J. Hallebeek, TRG 75 (2007) 409ff.