The Northumberland Eyre Roll for 1293, hg. v. Fraser, Constance M. (= Publications of the Surtees Society 211). Boydell & Brewer, Woodbridge/Suffolk 2007. XVI, 508 S. Besprochen von Susanne Jenks.

 

Ein bedeutendes Herrschaftsinstrument des hochmittelalterlichen englischen Königs war die Entsendung von Reiserichtern, die - im Abstand von einigen Jahren - in die Grafschaften geschickt wurden, um vor Ort die Beschwerden und Klagen der Untertanen, aber auch die den König direkt betreffenden Pleas of the Crown zu hören und zu entscheiden. Die Gerichtsrollen der Reiserichter sind seit dem Ende des 12. Jahrhunderts überliefert, und es ist selbstredend zu begrüßen, wenn diese Akten ediert werden, insbesondere dann, wenn die Edition die Benutzung der Originaldokumente überflüssig macht. Dies ist zwar am ehesten durch die Veröffentlichung des gesamten lateinischen Textes zu erzielen, aber durchaus auch mit einer sorgfältig gemachten Regestserfassung zu erreichen. Leider erfüllt der vorliegende Band diese Erwartung aus mehreren Gründen nicht.

 

Bevor auf die Kritikpunkte im einzelnen eingegangen wird, ist zu betonen, dass der Band nur die zivil-, nicht aber die strafrechtlichen Fälle enthält, die von den Reiserichtern im Rahmen der Northumberland Eyre 1293 gehört wurden, worauf allerdings im Titel nicht hingewiesen wird. Von den acht im Nationalarchiv (The National Archives, Public Record Office, Kew, Surrey) überlieferten, diese Eyre betreffenden Gerichtsakten (Just 1/650-Just 1/656A, Just 1/1602), werden nur zwei herangezogen, nämlich die 80 Membrane umfassende Rex Akte (Just 1/650) sowie die 75 Membrane enthaltende Akte des Richters Hugh de Cressingham (Just 1/652), die nur die vor diesem Richter verhandelten Fälle notiert und somit weniger Eintragungen enthält. Obwohl die Reihenfolge der Fälle in der Cressingham Akte von der in der Rex Akte abweicht, wurde auf eine Konkordanz verzichtet. Zudem gibt die Herausgeberin für beide Akten eine seit langem veraltete Signatur JI 650 bzw. JI 652 an, was ein wenig verwundert.

 

Die Beschränkung auf die zivilrechtlichen Fälle würde allerdings den Wert einer guten Regestsammlung nicht zwangsläufig mindern – mangelnde Sorgfalt beziehungsweise Probleme mit der Paläographie allerdings schon. So wurden Namen falsch gelesen. Es muss zum Beispiel Alan de Grymesdale statt Adam de Grymesdale (Nr. 786* (sic) auf S. 287, recte: Nr. 796*); Kayllum statt Keyllum (Nr. 2), Donum statt Denum (Nr. 5), Suetesham statt Snetesham (Nr. 45); Swartlaund statt Swarlaund (Nr. 110), Ablot statt Abbot (Nr. 335) heißen. Auch bei anderen Einträgen kommt es zu Fehlern: in Nr. 490* Anm. 1 zum Beispiel muss der nächste Gerichtstermin Octave St John the Baptist lauten und nicht ‚the feast of St John the Baptist’; in Nr. 462* müssen die Grafschaften \Yorks. Northumb. Cumbr/ statt \Yorks. Northumb. Dur/ heissen. In Nr. 310 wird ein Writ von 25 Edward I auf 15 Edward I falsch datiert, obwohl die Jahreszahl vicesimo quinto klar ausgeschrieben wird [http://aalt.law.uh.edu/E1/Just1no650/aJust1no650/IMG 0044.JPG]; in Nr. 1060 wird das Jahr falsch gelesen (als 21 Edw. I statt richtig 20 Edw. I) und somit das Datum falsch aufgelöst (22 März 1293 statt richtig 30 März 1292) [http://aalt.law.uh.edu/E1/Just1no650/aJust1no650/IMG 0133.JPG]. Andere Einträge wurden zum Teil nicht entziffert. So wurde der Eintrag auf Membran 80 gelesen als: ,Thomas le Fuleghere and Robert de Wilton for a fine for themselves and their fellow 12 jurors and for the whole vill of […] saving drapers and vintners for concealments and other trespasses – 10 marks’. Angeblich als Randvermerk (tatsächlich aber dem ersten Eintrag folgend) soll []t' Cumbr' vj mr´ m´ numer´ proinde fuerunt appo[…] ut dicitur, unde nunc de eodem stehen (Anm. 1 zu Nr. 2222, S. 443) stehen. Der Eintrag [http://aalt.law.uh.edu/E1/Just1no650/aJust1no650/IMG 0166.JPG] ist zwar in der Tat schwer zu lesen, kann aber unter Zuhilfenahme der Akten der Cumberland Eyre 1292-93 (Just 1/135 m 22 und inbesondere Just 1/137 m 22d) entziffert werden. Er lautet: De Thome le Fuleghere et Roberto de Wilton de fine pro se et sociis suis xij juratoribus et pro tota villata de Cokermue (Cockermouth, in Cumberland) exceptis draperiis et vinetariis pro concellamentis et aliis transgressionibus x marcas, unde in extractis Cumbr' vj marcas tantum minus proinde fuerunt apposite, ut dicitur, unde nunc de eodem 4 marcas und müsste somit als ,From Thomas le Fuleghere and Robert de Wilton as a fine for themselves and their fellow 12 jurors and for the whole vill of Cockermouth saving drapers and vintners for concealments and other trespasses – 10 marks whereof in the estreats of Cumberland 6 marks for they have expended less accordingly, as was said, whereof now from them 4 marks’ übersetzt werden. [Mein Dank gebührt Christopher Whittick für seine Hilfe bei diesem Eintrag.]

 

Andere Passagen wurden dagegen als komplett unleserlich bezeichnet. So heißt es zum Beispiel auf S. 72 (Fall Nr. 210): Later it was found by assize that Philip de Craweden, ancester [sic] of Richard Turpyn, whose heir he was [held] of Hugh de Bolbek and his heirs by knight service, and later the tenements came into the seisin [The remainder is illegible]. Nicht nur sind die restlichen 8½ Zeilen in der Rex-Akte Just 1/650 − wenn auch zum Teil unter Zuhilfenahme der UV-Lampe − durchaus lesbar, sie sind sogar hervorragend in der Cressingham-Akte (Just 1/652 m 31; moderne Numerierung) erhalten. Die als unleserlich deklarierte Passage lautet:

Et postea eadem tenementa devenerunt in seisina predicti Ricardi de Hoghton, sicut supradictum est. Et quod predictus finis levavit inter ipsum Ricardum de Hoghton et predicum Ricardum Turpyn per cujus finis[1] virtutem predicta tenementa remanerent eidem Ricardo de Hogton et heredes suis de corpore suo procreatis, tenenda et habenda de[2] predicto Ricardo Turpyn et heredibus suis per servicium unius paris cyrotecarum albarum vel unius denarii per annum  pro omni servicio, et faciendo capitalibus dominis feodi pro predicto Ricardo Turpyn et heredibus suis omnia alia servicia debita et consueta, et sic idem Ricardus de Hoghton gratis per finem istum predicta tenementa de forinseco servicio oneravit, ita quod servicium militare et alia servicia, que Ricardo Turpyn facere debuisset, faceret capitalibus dominis feodi ut attornatus predicti Ricardi Turpyn, quibus quidem serviciis et custodia mere  est accessoria. Consideratum est quod predictus Ricardus Turpyn teneat predicta tenementa in custodiam usque ad etatem predictarum Isabelle et Matilde. [parchment missing] Isabella et Matilda in misericordia. Nichil de misericordia quia infra etatem etc. [http://aalt.law.uh.edu/E1/Just1no652/aJust1no652/IMG 0066.JPG]

Obwohl in der Einleitung betont wird, dass die Akte Cressinghams stets herangezogen wurde, wenn der Text in Just 1/650 schlecht zu lesen war (S. X), scheint man sich in der Praxis allerdings weitestgehend auf die Rex Akte beschränkt zu haben.

 

Darüber hinaus gibt es Flüchtigkeitsfehler. So wird zum Beispiel in Nr. 464* der im Original tatsächlich gestrichene Satz als nicht gestrichen ausgewiesen und dafür ein Satz als durchgestrichen wiedergegeben, der in der Vorlage nicht durchgestrichen ist [http://aalt.law.uh.edu/E1/Just1no650/aJust1no650/IMG 0068.JPG]. Membran 38a ist nicht angenäht, wie behauptet, und auf Membran 33d steht kein dies datus für den Fall 486*. Was als ‚too faint to read’ angesehen wird, ist eine auf der Vorderseite der Membran 33 geschriebene Zeile, die durchscheint [http://aalt.law.uh.edu/E1/Just1no650/bJust1no650/IMG 0234.JPG].

 

Doch nicht nur die Arbeit am Original weist Mängel auf. Es kommt auch zu sinnentstellenden, ja irreführenden Übersetzungsfehlern: So steht bei Nr. 844 auf S. 296: The prior of Carlisle sued Stephen Reynbaud of Newcastle for the unjust detention of 18 (sic) marks, where Philip de Strahirn owed the prior 8 marks and Stephen became his pledge, and as principal debtor undertook to pay the same, half at Easter 18 Edward [1290] and half the following Lammas [1 August]. He claimed damage (sic) worth 40s. Stephen came and denied injury. Philip, whose pledge he was said to be, was alive and had repaid the money ... Allerdings steht im Original, dass 8 Mark (nicht 18) geschuldet werden. Auch war Stephan nicht Hauptschulder, und er hatte sich nicht verpflichtet, die Schulden zu den genannten Terminen zurückzuzahlen. Vielmehr war Stephan Bürge und wäre somit erst nach dem Tode Philipps zur Zahlung verpflichtet gewesen. Deshalb wies Stephan vor Gericht auch darauf hin, dass Philip noch lebte und genug besaß, um das Geld selbst zurückzahlen zu können. Er behauptete hingegen nicht, wie im Regest erwähnt, dass Philip die Schuld zurückgezahlt hatte. Zudem könnte man in dem Eintrag Nr. 844 aufgrund des Regests einen ungewöhnlich frühen assumpsit-Fall vermuten, da die Worte „undertook to pay“ fallen, denn assumpsit wird gewöhnlich mit „undertook“ übersetzt. Im Original fehlt allerdings jegliches Verb. [http://aalt.law.uh.edu/E1/Just1no650/aJust1no650/IMG 0114.JPG], so dass es sich bei der Übersetzung um eine Interpretation der Herausgeberin handelt. Auch andere Übersetzungen leiten in die Irre oder sind ungenau. So wird Preceptum fuit vicecomiti quod venire facias − wenn auch nur einmal − als ‚Following a previous order’ (Nr. 1538) übersetzt, was auf einen sicut alias Befehl hindeuten würde. Nisi fidem wird mit ‚as in trust’ (Nrn. 124b, 127, 133, 201) bzw. ‚as of trust’ (Nrn. 126, 181) übersetzt, doch zeigt nisi fidem an, dass ein Kläger eine Eidesleistung erbracht hatte, anstatt Bürgen der Anklage zu stellen.

 

Schließlich gibt es handwerkliche Fehler. So ist zu bemängeln, dass die Herausgeberin ihre eigenen Editionsregeln nicht immer beachtet. So verspricht die Einleitung (S. XV), dass in der Rex Akte vorgenommene Steichungen nur dann kenntlich gemacht wurden, sofern sie prozedurale Auswirkungen hatten. Allerdings enthält der Band Eintragungen, die in Just 1/650 gestrichen und mit dem Randvermerk Vacat quia alibi versehen sind (siehe Nrn. 249a, 824, 844a). Dieser Randvermerk zeigt an, dass der Schreiber einen Eintrag abgebrochen hat, weil der Fall bereits auf einer anderen Membran notiert wurde. Von einem Eintrag mit prozeduralen Auswirkungen kann also keine Rede sein. Andererseits werden reine Schreibfehler laut Einleitung nicht kenntlich gemacht (S. XV). Allerdings gibt es Einträge wie Nr. 246a William de Mundevill and Alice his wife, who proffered etc. Somit hat ein klarer Schreibfehler Aufnahme gefunden in dem Band.

 

Auch wurde nicht sorgfältig genug Korrektur gelesen. So heißt es in der Einleitung, dass Ortsangaben, auch wenn sie Teil eines Namens sind, im Originalwortlaut belassen werden, es sei denn, es handelt sich um bekannte Orte wie z. B. Carlisle. Allerdings ist in Nr. 45 S. 20 der bishop of Karleol' stehengeblieben, in Nr. 60 S. 24 the county of Warewyk und Oxon', in Nr. 253 S. 91 Cumbr' und in Nr. 480* S. 191 wieder Karliol'.

 

Zudem gibt es Widersprüche, die nur durch einen Blick in die der Edition zugrundeliegenden Akte aufgeklärt werden können. So weicht die Zusammenfassung des Falles Nr. 136 in der Einleitung (vgl. S. XII: John de Herle sued Mr Adam le Tauntular for repossession of land in Glantlees … The original writ, however, gave Adam’s surname as le Tynturer. This variation was sufficient to lose John his case) inhaltlich von dem Regest auf S. 46 ab (John de Herle … sued against Mr Adam le Tauntuler ..., he said that in the writ he was named as Adam le Tauntuler, and in the narration against him was named Adam le Teynturer, and he sought judgment over the variation). Eine Überprüfung aufgrund Just 1/650 m 8 ergab, dass das Regest die Namen korrekt erfasst, die Zusammenfassung des Regestes in der Einleitung dagegen fehlerhaft ist [http://aalt.law.uh.edu/E1/Just1no650/aJust1no650/IMG 0018.JPG].

Schliesslich gibt die Zusammenfassung des Regestes Nr. 273 (vgl. S. XII) an, dass Robert, son of Roger, lord of Corbridge, Newburn and Warworth zusammen mit vier anderen Personen einen gewissen Robert of Throckley verklagte. Jedoch enthält der Regest Nr. 273 auf S. 101 keine Hinweis darauf, dass Roger ein Lord war. Im Index ist ebenfalls kein Roger, lord of Corbridge, Newburn und Warworth, verzeichnet. Dass dort selbst ein Hinweis auf Robert, son of Roger fehlt, sei nur am Rande erwähnt. Wieder musste das Original (Just 1/650 m 16d) herangezogen werden, wo allerdings keinerlei Hinweis zu finden war, dass besagter Roger lord of Corbridge, Newburn und Warworth war [http://aalt.law.uh.edu/E1/Just1no650/bJust1no650/IMG 0200.JPG]. Somit kann nur die Herausgeberin wissen, wie sie zu dieser Identifikation kam.

 

In das Bild einer hastig fertiggestellten Edition passt zudem, dass die Fußnote 2 der Einleitung nicht zum Text stimmt. So wird auf drei in Fußnote erwähnte Fälle (Nrn. 146, 172 und 386) im Text der Einleitung nicht eingegangen. Dass es Tippfehler (vgl. S. 71 und 72: ancester statt korrekt ancestor; S. 86 messsuages statt messuages; S. 119 2 acres statt 20 acres) gibt und im Index Querverweise ins Leere laufen (zum Beispiel: Laval, de, see Delaval), wird angesichts des Gesagten nicht überraschen.

 

Obwohl diese Regestsammlung leider einiges zu wünschen übrig lässt, ist die Arbeit nicht ganz umsonst gewesen, denn man kann den Band immerhin als Findbuch für die Akte benutzen, die sich mittlerweile auf Netz im von Robert C. Palmer und Elspeth K. Palmer zusammengestellten digitalen Archiv The Anglo-American Legal Tradition [http://aalt.law.uh.edu/aalt.html] befindet und kostenfrei benutzt bzw. heruntergeladen werden kann. Die in eckigen Klammern gesetzten Belege für einzelne Fälle in dieser Besprechung verweisen auf die Bilder in diesem digitalen Archiv.

 

London                                                                                                                      Susanne Jenks



[1] Über der Zeile.

[2] Über der Zeile.