Szemerédy, Julia, Ludwig Kuhlenbeck – Ein Vertreter sozialdarwinistischen und rassentheoretischen Rechtsdenkens um 1900 (= Zürcher Studien zur Rechtsgeschichte 49). Schulthess, Zürich 2003. 195 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Marcel Senn, der die Autorin auf den Themenbereich vornationalsozialistischer Rassentheorien aufmerksam gemacht hat, betreute Dissertation der Verfasserin, die auf Empfehlung einem Rezensenten zur Besprechung anvertraut wurde. Trotz vieler Erinnerungen war eine Würdigung bisher leider nicht möglich. Deswegen muss der Herausgeber auf die Arbeit wenigstens mit einigen Sätzen hinweisen.

 

Gegliedert ist die Untersuchung in fünf Kapitel. Den Beginn macht ein Wettbewerb um 1900 mit seinen Hintergründen, in dem für die Beantwortung der Frage Was lernen wir aus den Prinzipien der Descendenztheorie in Beziehung auf die innerpolitische Entwicklung und Gesetzgebung der Staaten 30000 Mark ausgesetzt wurden, die Friedrich Alfred Krupp anonym zur Verfügung stellte. Den ersten Preis unter 60 Teilnehmern, darunter 11 Juristen, gewann der Arzt Wilhelm Schallmayer, während Ludwig Kuhlenbeck zwar teilnahm, aber keinen Gewinn erhielt und 1904 seine Arbeit Natürliche Grundlagen des Rechts und der Politik selbständig veröffentlichte.

 

Im Anschluss an diese Darlegung bietet die Verfasserin biographische Angaben zu Kuhlenbeck, der am 25. April 1857 als Sohn eines Schlossermeisters in Osnabrück geboren wurde, ab 1875 in Göttingen Rechtswissenschaft unter anderem bei Jhering studierte und 1885 bei Ludwig von Bar über einige Fragen aus der Lehre von der Stellvertretung in praktischer Anwendung promoviert wurde. Neben seiner ständigen wissenschaftlichen Tätigkeit leitete er 1901 bis 1904 die Juristische Wochenschrift. 1902 wurde er nach Lausanne berufen.

 

Im zweiten Kapitel behandelt die Verfasserin Kuhlenbecks an Rudolf von Jhering anknüpfende Natürliche Grundlagen des Rechts und der Politik, die Rechtsgeschichte als Rassegeschichte versteht. Von hier aus geht sie umfassender auf die Entwicklungsgeschichte des Rechts ein und behandelt Kuhlenbecks Rechtsdogmatik vor allem an Hand des Schuldrechts, des Eigentums, des Eherechts und des Erbrechts. Den Beschluss bildet Kuhlenbecks Rezeption durch die Nationalsozialisten vor allem in Form der von Falk Ruttke veranlassten Biographie Herbert Lemmels von 1938.

 

Insgesamt ordnet sie die Gedanken Kuhlenbecks einleuchtend ein. Sie bedeuteten durchaus auch die Aufhebung des Gleichheitsgrundsatzes und die Anerkennung subjektiver Rechte auf Grund der Durchsetzungsfähigkeit des Einzelnen, lehnten aber einen konkreten Einbezug der Rassentheorie in die Gesetzgebung ab. In der nationalsozialistischen Rechtsdogmatik spielte Kuhlenbeck keine große Rolle.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler