Societates. Das Verzeichnis der Handelsgesellschaften im Lübecker Niederstadtbuch 1311-1361, hg. v. Cordes, Albrecht/Friedland, Klaus/Sprandel, Rolf (= Quellen und Darstellungen zur hansischen Geschichte 54). Böhlau, Köln 2003. 130 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Bald nach dem Erhalt der Reichsfreiheit im Jahre 1226 entstand wohl mit der Ausbildung einer eigenständigen städtischen Verwaltung in Lübeck auch ein Stadtbuch, in dem unterschiedliche Vorgänge eingetragen wurden. Dieses erste Buch der Stadt ging als solches bereits vor 1811 verloren, doch wurden durch Jakob von Melle einige 1884 von Wilhelm Brehmer zusammengestellte Eintragungen bewahrt. Von 1284 bis 1818 wurde ein Amtsbuch für Grundstücksgeschäfte geführt, das wegen seiner Aufbewahrung in den oberen Räumen der Kanzlei als Oberstadtbuch bezeichnet wurde.
Daneben gab es ein weiteres Buch, in das nach einer Notiz des Jahres 1277 die Schulden (debita) aufgenommen wurden. Es hatte seinen Platz in den unteren Räumen der Kanzlei im Rathaus und hieß deswegen Niederstadtbuch. Sein ältester Band ging ebenfalls verloren.
Der dritte Band dieses Niederstadtbuchs ist damit der zweite erhaltene Band. Er wurde 2006 von Ulrich Simon ediert. Er betrifft die Jahre von 1363 bis 1399.
Der älteste erhaltene (zweite) Band des Niederstadtbuchs ist ein Schuldbuch, in das freiwillig Anerkenntnisse von Schuldverhältnissen und Löschungen solcher Verbindlichkeiten durch den Stadtschreiber aufgenommen wurden. Es besteht aus drei Teilen. Der erste Teil enthält ab 1305 Quittungen (recognitiones) zu gelöschten älteren Anerkenntnissen, die in dem vorangegangenen, nicht mehr erhaltenen Band standen, der zweite, bis etwa 1345 selbständige Teil die societates (Gesellschaften) ab 1311, der dritte, weitaus umfangreichste Teil Schuldanerkenntnisse (debita) für Zahlungen vor allem in Warentermingeschäften.
Diese lateinisch gehaltenen societates-Eintragungen wurden teilweise als Beweis für ein frühes Handelsregister angesehen. Sie sind aber nur Nachweise über freiwillig eingegangene Verbindlichkeiten aus dem Bemühen von Geldgebern, in Handelsunternehmen eingegebenes Geld schuldrechtlich zu sichern. Zwischen 1350 und 1361 gingen diese Eintragungen mehr und mehr in den allgemeinen debita auf.
Nach der kriegsbedingten Auslagerung waren die verschollenen societates-Eintragungen zunächst nur aus vorhandenen Fotografien zu rekonstruieren. Kurz vor der damit angestrebten Veröffentlichung kehrte das verloren geglaubte Original 1990 nach Lübeck zurück. Auf seiner Grundlage konnte im vorliegenden Band der Teil societates ediert werden.
Im Gedächtnis an den bearbeitenden Rörig-Schüler Wilhelm Koppe (1906-1986) enthält er ein kurzes Vorwort von Koppes Schüler Klaus Friedland, an den das noch unvollkommene Manuskript der Edition gelangt war. Rolf Sprandel bietet eine wirtschaftsgeschichtliche Einführung, in der auf die in den 268 Einträgen dokumentierten 249 Handelsgesellschaften mit mehr als 400 beteiligten Kaufleuten (darunter 102 Lübecker Ratsherren und Verwandte) eingeht und sie in ökonomischer Hinsicht aufschlüsselt. Albrecht Cordes stellt eine überarbeitete und gekürzte Fassung des Kapitels über das societates-Register seiner Habilitationsschrift von 1998 zur Verfügung, das sehr sorgfältig alle damit verbundenen Rechtsfragen erörtert und klärt (17 unbenannte Kommissionsgeschäfte, 250 verae societates [173] und ihre Verwandten [z. B. Hermannus Clockeman habet 12 marcas denariorum, contra quas Johannes de Gruten sibi tradidit alias 12 marcas denariorum in vera societate]).
Im Anschluss hieran beschreibt Ulrich Simon die Quelle und den Inhalt. Dem folgt die durch Bibliographie und Register aufgeschlossene Edition. Möge sich daran auch die Ausgabe der übrigen Teile des Bandes anschließen, damit wenigstens die Anfänge des wichtigen Lübecker Niederstadtbuches der Allgemeinheit in wissenschaftlich gesicherter Gestalt vollständig zur Verfügung stehen.
Innsbruck Gerhard Köbler