Škrubej, Katja, Ritus gentis Slovanov v vzhodnih Alpah - Model rekonstrukcije pravnih razmerij na podlagi najstarejšega jezikovnega gradiva. Založba (Ritus gentis der Slawen in den Ostalpen - Modell der Rekonstruktion der Rechtsverhältnisse auf der Grundlage des ältesten Sprachmaterials). Založba ZRC, Ljubljana 2002. 248 S. Besprochen von Inge Bily.

 

In vorliegender Untersuchung verbindet Katja Škrubej die Rechts- und Sprachgeschichte Sloweniens zu einer gelungenen Synthese. Vor der Autorin selbst (Vorwort, S. 11-12) kommt der Wiener Slawist Radoslav Katičić mit einer Empfehlung und Würdigung der Arbeit (S. 9-11) zu Wort. Auf das Abkürzungsverzeichnis (S. 13-16) folgt die Einleitung (S. 19-24) als das erste von 7 Kapiteln. Anschließend beschreibt Kapitel II (S. 25-40) die rechtshistorischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der mittelalterlichen Gentes in den Ostalpen, bevor Kapitel III (S. 41-73) einen Überblick zur Rechts- und Sprachgeschichte des Untersuchungsgebietes gibt.

 

Umfangreichster Teil und Kernstück des Buches ist Kapitel VI (S. 105-198) mit einer sprach- und rechtshistorischen Analyse ausgewählter slowenischer Rechtstermini nach einem von der Autorin entwickelten und zuvor in Kapitel V (S. 89-104) vorgestellten Untersuchungsschema. Für diese Analyse erfolgte die Auswahl des Wortschatzes nach seiner juristischen Relevanz und seinem Vorkommen in den ältesten slowenischen Sprachdenkmälern sowie darüber hinaus nach Vergleichsmaterial in anderen slawischen Sprachen, vgl. Kapitel IV (S. 75-87, bes. S. 75). Zusätzlich bezog die Autorin Wortschatz aus Wörterbüchern, außerdem Dialektmaterial wie auch Eigennamen ein. Durchgängiges Arbeitsprinzip dieser auch methodisch anregenden Untersuchung ist der Sprachvergleich zwischen dem Slawischen und dem Althochdeutschen und auch dem Lateinischen. Oftmals werden die behandelten Termini ins Englische und Deutsche übersetzt, ein wichtiger Schritt zur Überwindung der Sprachbarriere.

 

In einem ersten Abschnitt (S. 107-156) behandelt K. Škrubej das Material aus den Freisinger Denkmälern, einer Quelle, die immer wieder das Interesse der Forscher erweckt.[1] In dieser Gruppe werden Rechtstermini, wie soditi ‘richten’; gospod ‘Herr’; zakon ‘Gesetz, Recht’ (vgl. ahd. ‘ewa’); zakonik arch. ‘Schriftgelehrter, Gesetzmann; Priester; Ehemann’, heute ‘Gesetzbuch’ (vgl. ahd. ewarto); oblast ‘auctoritas’; oblastnik ‘gubernator’ behandelt. Wenn ein Rechtsterminus weder in den Dialekten noch in den Freisinger Denkmälern nachgewiesen ist, sondern erst später begegnet und ausschließlich im Slowenischen (evtl. noch im Kroatischen) vorkommt, dann ist nach K. Škrubej die Wahrscheinlichkeit gering, dass dieser Terminus den in den Ostalpen siedelnden Slawen bekannt war. Im zweiten Abschnitt (S. 157-182) werden Rechtstermini aus der Zeit der handschriftlichen Überlieferung behandelt, so u. a. veča, vgl. lat. mallus, mallum ‘öffentliches Gericht’; obet ‘Versprechen, Verheißung’; svet ‘Rat’. Im dritten Abschnitt wird Material aus lateinischen und slowenischen Texten des 16. Jahrhunderts untersucht (S. 182-198), hier besonders der Terminus obiskanje ‘scrutatio’.

 

Ausführliche Herleitung der Wortformen, Verweise auf Ableitungen, die Beschreibung der Semantik und eine Betrachtung des Wortschatzes von seinem ersten Auftreten in den Quellen bis zu seinem heutigen Gebrauch bzw. auch seinem Verschwinden aus dem aktuellen Sprachgebrauch sind die Eckpunkte der linguistischen Beschreibung. Sprachliche Analyse und Behandlung des Rechtsinhalts eines Terminus bilden für K. Škrubej eine Einheit, wobei es ihr gewöhnlich nicht um isolierte Einzeltermini geht, sondern vielmehr um die Untersuchung von Wortnestern und die Betrachtung eines Terminus im (möglichst längeren) Kontext. Dabei werden auch Ableitungen einbezogen, vgl. z. B. zakon ‘Gesetz, Recht’ und das daraus mit Hilfe des -ik-Suffixes abgeleitete zakonik (zur Bedeutung s. o.), außerdem das ebenfalls, und zwar mit Hilfe des -ica-Suffixes, aus zakon abgeleitete zakonica ‘Ehegemahl’ und auch bezakonik ‘Verbrecher; jemand, der nicht nach dem Gesetz handelt’, das Antonym zu zakonik, das mit Hilfe des Präfixes bez- ‘ohne’ gebildet wurde.

 

Besondere Aufmerksamkeit wird der Semantik der behandelten Termini geschenkt, und dies in diachroner wie auch in sprachvergleichender Sicht. Bekanntlich konnte sich die Grundbedeutung eines Lexems im Laufe seiner historischen Entwicklung wie auch seiner regionalen Verbreitung erheblich verändern. Abgesehen davon zeigen sich die zu erwartenden Unterschiede in einem Vergleich des allgemeinsprachlichen und fachsprachlichen Gebrauchs von Termini sowohl bei der Betrachtung des slowenischen Materials wie auch im gesamtslawischen Vergleich.

 

K. Škrubej weist außerdem darauf hin, dass slowenische Termini zu unterschiedlichen Zeiten auch in deutschen und lateinischen Texten begegnen. Sie werden nicht übersetzt, wahrscheinlich, weil man in der Nehmersprache keine adäquaten Entsprechungen fand.

Der innere Aufbau eines Stichwortes ist jeweils zweigeteilt. Zuerst wendet sich die Autorin der lexikalisch-semantischen Ebene zu. Hier wird unter Punkt 1a) die historische Überlieferung des Terminus vorgestellt, und zwar eingebettet in den Kontext. Es folgt eine ausführliche historisch-etymologische und sprachvergleichende Herleitung, auch unter Berücksichtigung von Ableitungen und Antonymen, vgl. z. B. S. 145-147. Der Bedeutungsangabe wird oftmals noch die englische und deutsche Übersetzung beigefügt. Anschließend fasst Punkt 1b) die sprachliche Bearbeitung des jeweiligen Terminus zusammen. Für den Leser sind Herleitung und Erklärung anhand der gebotenen Quellenbelege und ihrer Fundstellen jederzeit nachvollziehbar. Unter Punkt 2 (S. 147-148) werden rechtshistorische Fragen behandelt, wiederum in enger Verbindung mit der Sprachgeschichte. Die Teile 1b) (sprachliche Auswertung) und 2 (Behandlung rechtshistorischer Fragen) eines Stichwortes sind, da sie die wichtigsten Ergebnisse übersichtlich zusammenfassen, den Vertretern benachbarter Wissensgebiete für eine Einbeziehung in weitere Untersuchungen besonders zu empfehlen.

 

Sehr zu begrüßen ist das auf die Zusammenfassung (Kapitel VII, S. 199-206) folgende ausführliche englische Resümee (S. 207-225), denn es erleichtert die Rezeption von Methodologie und Ergebnissen. Den Abschluss des Bandes bilden das Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 227-241), ein Personenregister (S. 243-245) sowie ein Sachregister (S. 246-248).

 

Die Untersuchung K. Škrubejs bietet eine große Menge an Informationen über das Recht der Slawen in den Ostalpen. Anknüpfend an die rechtshistorischen Forschungen Sergej Vilfans, dessen 10. Todestages an der Juristischen Fakultät der Universität Ljubljana im Sommer 2007 mit einer internationalen Konferenz[2]2 gedacht wurde, wendet sich die Autorin den Grundlagen der slowenischen Rechtssprache zu und legt auf der Basis eines umfangreichen Quellenstudiums, der Auswertung der einschlägigen etymologischen Wörterbücher und unter Anwendung der historisch-vergleichenden Methode eine diachrone Untersuchung des slowenischen Rechtswortschatzes vor. Dabei werden die Termini von den Anfängen ihres Auftretens in der historischen Überlieferung bis zu ihrem aktuellen Gebrauch betrachtet. Wo es als nötig erachtet wird, erfolgt eine Rückführung bis auf das Indogermanische. Der gesamtslawische Vergleich erlaubt es, bei erst spät einsetzender Überlieferung dennoch ein früheres Vorkommen eines Terminus besonders dann nicht auszuschließen, wenn das betreffende Lexem in den anderen slawischen Sprachen früh belegt ist und durch Sprachvergleich bis auf das Urslawische zurückgeführt werden kann. Soweit für die Behandlung des Themas nötig, werden die slowenische und die internationale Rechtsgeschichte wie auch die Geschichte der Rechtssprache einbezogen. Ausgehend vom aktuellen Stand der Forschung, spricht K. Škrubej eine Reihe offener Fragen an und benennt Schwerpunkte für weitere Untersuchungen nach der hier vorgestellten und erfolgreich angewandten Methode. Die Ergebnisse dürften für mehrere Disziplinen von Interesse sein.

 

Entstanden ist eine gründliche, systematische und gut gegliederte Arbeit. Anmerkungen und abschließendes Literaturverzeichnis bilden wichtige Informationsquellen, vor allem auch für weitere Untersuchungen. Die äußere Gestaltung des Bandes ist ansprechend. Vorderer und hinterer Außenumschlag zeigen Kopien aus den Freisinger Denkmälern. Zur Hervorhebung im Text werden Fett- und Kursivdruck genutzt.

 

Leipzig                                                                                               Inge Bily



[1] Zur rein linguistischen Auswertung vgl. Irene Wiehl, Die Rechtswörter in den Freisinger Denkmälern. In: Hans-Bernd Harder, Bernd E. Scholz (Hrsg.), Studia Slavica. Beiträge zum VIII. Internationalen Slawistenkongreß in Zagreb 1978. Gießen 1981, S. 59-80.

[2] Vgl. den Tagungsband Arhivistika - zgodovina - pravo. Vilfanov spominski zbornik. Archivkunde - Geschichte - Recht. Gedenkschrift für Sergij Vilfan. Archives - History - Law. Vilfan’s Memorial Volume. (= Gradivo in razprave, 30). Ljubljana 2007.