Signa iuris. Beiträge zur Rechtsikonographie, Rechtsarchäologie und rechtlichen Volkskunde, hg. v. Kocher, Gernot/Lück, Heiner/Schott, Clausdieter, Band 1, Band 2. Peter Junkermann Verlag, Halle an der Saale 2008. 182, 195 S. Besprochen von Hans Hattenhauer.

 

Dass diese neue Reihe Neues anstrebt und einen seit längerem bestehenden Bedarf befriedigt, lässt sich bereits daran erkennen, dass die Herausgeber im Erscheinungsjahr des ersten Bandes bereits einen zweiten herausbringen konnten. Es soll ein die bisherigen Wissenschaftsdisziplinen übergreifendes, in loser Folge erscheinendes Forum sein, ohne dass damit die Ausgrenzung thematisch verwandter Forschungen beabsichtigt ist. Seit je haben die damit gemeinten Gegenstände ihre Erforschung durch Vertreter mehrerer Disziplinen erfahren. Generationen von Rechtshistorikern haben diesen Themen immer wieder ihr Interesse, besser wohl: ihre Liebe, gewidmet. Mit Recht erinnern die Herausgeber an die Leistungen von Eberhard Freiherr von Künßberg, Karl Siegfried Bader, Karl Frölich und Louis Carlen. Doch sollte man auch jene von Hans Fehr und Eugen Wohlhaupter dabei nicht vergessen wie auch die fast unbekannten Antiquitates-iuris-Forschungen des 18. Jahrhunderts und vor allem Jacob Grimms „Rechtsaltertümer“. Das Fach der Rechtsgeschichte war niemals so eng verfasst, dass solche Arbeiten nicht den wissenschaftlichen Respekt auch anderer Disziplinen – oft mehr den jener als den der eigenen Fakultät – gefunden hätten. Nun aber sollen sich diese rechtshistorischen Nebenfächer entschlossener den Forschungen der verwandten Disziplinen öffnen, die sich im Rahmen ihrer Disziplinen immer auch für das Recht interessiert haben. So ist zu hoffen und auch zu erwarteten, dass mit dieser Reihe die alten Zäune zwischen den Disziplinen etwas niedriger werden und auf allen Seiten der Blick für die ganze Weite dieses Forschungsfeldes geschärft wird. Dabei kann auch die Rechtsgeschichte nur gewinnen und es ist erfreulich, dass sie die Initiative ergriffen hat.

 

Worum es praktisch geht, zeigen die die aus unterschiedlichen Disziplinen stammenden Beiträge. Im ersten Band tragen vor: Michael Wiemers: „Cranach und das Recht im Bild. Anmerkungen zur Wittenberger Zehn-Gebote-Tafel“ (S. 11-27), Stephan Altensleben: „Vergessene Botschaften: Über spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Inschriften zur Herrschafts- und Rechtskultur“ (S. 29-49), Theodor Bühler: „Die sogenannte Handfeste in schweizerischen Bilderchroniken“ (S. 51-62), Herbert Schempf: „Paul Trogers Bildtafeln für das Salzburger Rathaus im europäischen Kontext“ (S. 63-76), Reinhard Selinger: „Der Strafvollzug in spätantiker und frühchristlicher Kunst“ (S. 77-107), Michaela Staudigl: „Das Geld in römischen Alltagsszenen“ (S. 109-134), Wernfried Fieber/Reinhard Schmitt: „‚Heiße Steine’ in Mitteldeutschland – eine Problemanzeige“ (S. 135-151), Heiner Lück: „Der Galgen als Strafvollstreckungswerkzeug und Rechtssymbol. Mit einer Vorstellung zweier Galgensäulen in Sachsen-Anhalt“ (S. 153-172) sowie, unter der Rubrik „Diskussion“, Klaus F. Röhl: „Wie übersetzt man ‚Popular Legal Culture’? (S. 173-174), Herbert Schempf: „Volksrecht – Rechtliche Volkskunde – Rechtsethnologie“ (S. 175-176) und Theodor Bühler: „Folklore juridique – Rechtliche Volkskunde“ (S. 177-179) . Der zweite Band bringt Beiträge von Gernot Kocher: „Der Hals im Recht“ (S. 9-31), Theodor Bühler: „Der Garten als Gegenstand der rechtlichen Volkskunde“ (S. 33-46), Andreas Deutsch: „Von ungestümen Injurien und heimlicher Salzschäufelei. Prozesse vor dem ‚Haalgericht’, dem Salinengericht von Schwäbisch Hall“ (S. 47-80), Dietlinde Munzel-Everling: „Die Verwendung von Rechtssymbolen in der Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels“ (S. 81-120), Wernfried Fieber/Reinhard Schmitt: „Steinsetzungen und Findlinge als Grenzsteine – Fallbeispiele aus Sachsen-Anhalt“ (S. 121-139), Wilhelm Brauneder: „Rechtssymbolik im ABGB“ (S. 141-144), Sven Gerth: „Rechtsdenkmal und Weistum – nur ein sagenhafter Bezug?“ (S. 145-163) sowie Heiner Lück: „Die westfälische Feme im Bildprogramm des Immermann-Brunnens in Magdeburg“ (S. 165-193).

 

Bereits diese Themenfülle lässt erkennen, dass wir es hier mit einem weiteren Forschungsfeld zu tun haben, als es die Titulatur der Reihe andeutet. Dessen sind sich die Herausgeber wohl bewusst und stellen die Bezeichnung des eigentlich Gemeinten im ersten Band zur Diskussion und wenden ihr Programm auch praktisch an, indem sie bei der Wiedergabe der vielen interessanten Bildbeispiele auf deren typographische Qualität besonderen Wert legen. Insgesamt stellt sich aber die Frage, ob es dann aber nicht nahe gelegen hätte, bei der Planung dieses Neubeginns dem gemeinten Forschungsfeld einen neuen, umfassenderen Namen zu geben, statt einerseits die alten Bezeichnungen summierend beizubehalten, andererseits aber doch mehr als jene anzustreben. Sollte man das Gewollte nicht besser entschlossen „Rechtskulturgeschichte“ nennen und damit die Programme der alten Einzeldisziplinen betonter sprengend? Dann wäre auch erkennbarer Raum geschaffen für die Erforschung des Rechts im Spiegel der Musik und Literatur, etwa jener der „einfachen Formen“ (Jolles) wie  Sage, Märchen, Legende, Sprichwort, in der Mode, Baukunst, den menschlichen Verhaltensweisen und Umgangsformen etc. Es geht bei alledem doch immer um die Frage, wie sich das Recht im Laufe seiner Geschichte in den es tragenden und bergenden Kulturen abgebildet und gespiegelt hat. Vielleicht lässt sich das noch nachholen. Ebenso wichtig aber scheint es, dass die Initiatoren zur Förderung weiterer Forschungen und als deren Grundlage eine das gesamte Forschungsfeld umfassende Bibliographie vorlegen, die auch die Früchte der Vergangenheit einsammelt. Dazu und zu diesem ganzen Unternehmen kann man ihnen nur Mut machen und zu dem bisher Geleisteten gratulieren.

 

Speyer                                                                                   Hans Hattenhauer