Schulte, Petra, Scripturae publicae creditur. Das Vertrauen in Notariatsurkunden im kommunalen Italien des 12. und 13. Jahrhunderts (= Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 101). Niemeyer, Tübingen 2003. XII, 362 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Hagen Keller betreute, am Sonderforschungsbereich Der Verschriftlichungsprozess und seine Träger in Oberitalien (11.-13. Jahrhundert) entstandene, in Münster angenommene Dissertation der Verfasserin. Sie geht in der Einleitung von einer notariell gefertigten Urkunde aus, die Martinus Gixilbertus 1256 dem Gericht in Como wegen eines behaupteten Grundstückskaufs aus dem Jahre 1233 vorlegte. An diesem Vorgang entwickelt sie Problemaufriss und Fragestellung und schildert danach Methode und Quellen.
Ihre Untersuchung gliedert sie in drei Teile, wobei sie mit dem Notar als öffentlicher Person beginnt und nacheinander Leumund und Wahrheit, Investitur, Legitimierung und soziales Profil der Comasker Notare im 12. und 13. Jahrhundert sowie die Kontrolle durch Stadtgemeinde und Zunft erörtert. Es folgt die Behandlung der öffentlichen Niederschrift der Urkunde an Hand der Verschmelzung von Vertragsschluss und Beurkundung, der Überprüfung und Authentisierung des Textes, der Wahl des Ortes in den (1265 bzw. 1094) Urkunden des Comasker Klosters S. Abbondio und der Zeugen. Im dritten Teil geht die Verfasserin auf die Intervention der Kommune ausführlich ein.
Im Ergebnis stellt sie fest, dass im Zuge der Verschriftlichung im 12. und 13. Jahrhundert auch private Rechtsgeschäfte zunehmend schriftlich fixiert wurden. Dabei erlangte die Urkunde als vollwertiges Beweismittel fides, wobei einen wichtigen Anhaltspunkt für das Vertrauen, dass ein Schriftstück ein vergangenes Ereignis wahrheitsgemäß wiedergab, der Notar bildete. Das Vertrauen in den Notar wurde anfangs in erster Linie durch die Namen der Zeugen zusätzlich abgesichert, später jedoch in zunehmendem Maße durch institutionelle Kontrolle, wobei die Verfasserin unter Bezugnahme auf den eingangs geschilderten Beispielsfall zu Recht darauf hinweist, dass im Einzelfall, je wahrscheinlicher ein Betrug erschien, desto nachdrücklicher der spätere Betrachter von dem wahren Inhalt des Schriftstücks zu überzeugen war.
Innsbruck Gerhard Köbler