Schröder, Rainer, Die DDR-Ziviljustiz im Gespräch - 26 Zeitzeugeninterviews (= Rechtshistorische Reihe 373). Lang, Frankfurt am Main 2008. 273 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Niemand weiß besser als der Historiker, dass das Geschehen mit Ablauf der Zeit von der Gegenwart zur Vergangenheit wird. Damit geht notwendigerweise auch Wissen über die ehemalige Gegenwart verloren. Dieses zu sichern kann zur Aufgabe des Historikers werden, wie sie sich Rainer Schröder in loser Verbindung zu einem umfassenden Projekt zur Erforschung der Zivilrechtskultur der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik zum Ziel gesetzt hat.
Auf der Suche nach der Zivilprozesswirklichkeit dieses Raumes in dieser Zeit hat er deshalb in Verbindung von Sozialwissenschaft und Rechtswissenschaft Zeitzeugen befragt. Sie lassen aus Korrealitäten Kausalitäten erkennen und hauchen auf diese Weise statistischen Erkenntnissen persönliches Leben ein. Zugleich ermöglichen sie einen zusätzlichen Zugang zu dem Untersuchungsgegenstand, der freilich besonderen Gegebenheiten unterliegt.
Insgesamt sind 26 Zeitzeugeninterviews zu einer überschaubaren Einheit zusammengefasst. Sie betreffen die sechs verschiedenen Sichtfelder des Rechtsanwalts (8) , des Justitiars (9), des Justizangestellten (1), des Richters (3), des Schöffen (1) und des Außenstehenden (Wirtschaftlers, Wissenschaftler, Klägers) (4). Innerhalb der Sichtfelder wird dabei grundsätzlich zwischen soziologischer Sicht (10) und juristischer Sicht (16) unterschieden, wobei das einem Fragenkatalog folgende sehr erzählerische Herangehen der festen, faktenreichen Bindung an aufgeworfene Fragen gegenübergestellt wird.
Den Interviews werden gruppenweise kleine Einführungen vorangegeben. Die Interviewpartner werden aus Datenschutzgründen naheliegenderweise anonymisiert, Anpassungen des gesprochenen Wortes an die Schriftform möglichst unterlassen. Insgesamt sind auf diese Weise lesenswerte, zum Nachdenken anregende zusätzliche Rechtserkenntnisquellen der unmittelbaren Vergangenheit entstanden, die ein objektives Bild vorteilhaft subjektiv ergänzen können.
Innsbruck Gerhard Köbler