Schmidt-Bleker, Roland, Legislative Defizite im Schulrecht der preußischen konstitutionellen Monarchie. Eine rechtshistorische Untersuchung zum Vorbehalt des Gesetzes im preußischen Schulrecht (= Rheinische Schriften zur Rechtsgeschichte 2). Nomos, Baden-Baden 2005. 151 S. Besprochen von Arno Buschmann.
Die vorliegende, von Mathias Schmoeckel betreute Bonner rechtswissenschaftliche Dissertation beschäftigt sich mit einem zentralen Problem des preußischen Schulrechts im 19. Jahrhundert, nämlich dessen defizitärer gesetzlicher Grundlage, die in der allgemeinen Bewertung durch Jurisprudenz und Rechtshistorie üblicherweise beschönigend als „rechtliche Besonderheit“ verklärt und mit der Rechtsfigur des besonderen Gewaltverhältnisses begründet wird. Dem Verfasser geht es in seiner subtilen Untersuchung um den Nachweis, dass diese „rechtliche Besonderheit“ nicht aus dem besonderen Gewaltverhältnis entstanden ist, sondern ihren Ursprung in einem Konflikt zwischen Legislative und Exekutive in Bezug auf die rechtliche Gestaltung der Schule hatte, der bereits vor dieser erst von der Verwaltungsrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts entwickelten Rechtfigur existierte. Es ist der auch uns Heutigen nicht unbekannte Kampf um die Macht über die Schule, der sich in diesem Konflikt manifestiert. Wer im Staat die Macht über die Schule hat, hat die Macht über Bildung und Bürger, über Geist und Entwicklung der Gesellschaft - damals wie heute.
Der Verfasser beginnt seine Untersuchung mit einer Skizze des preußischen Schulwesens in der Zeit des Absolutismus, deren wesentliches Ergebnis für ihn die Feststellung einer „faktischen Gewaltenteilung“ zwischen staatlicher und kirchlicher Schulverwaltung ist. Es folgt die Schilderung des Schulwesens im konstitutionellen Preußen des 19. Jahrhunderts, namentlich des verfassungsrechtlichen Rahmens für die Schulentwicklung seit dem Inkrafttreten der preußischen Verfassung vom 31. Januar 1850. Eingehend wird die Entwicklung eines, wie der Verfasser es bezeichnet, „rein exekutiven Schulrechts“ in der Mitte des 19.Jahrhunderts beschrieben, von dem der eigentliche Konflikt zwischen der Legislative und der Exekutive über die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben seinen Ausgang nimmt. Den Schluss bildet eine Schilderung der Entwicklung des Prinzips des Gesetzesvorbehalts gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Als Fazit seiner Untersuchung sieht der Verfasser das preußische Schulrecht als eine „absolutistische Enklave“ im konstitutionellen Preußen des 19. Jahrhunderts, bei dem die Exekutive die Oberhand über Schule und Schulrecht behält und die Rechtsfigur des besonderen Gewaltverhältnisses lediglich eine vermittelnde Funktion einnahm, um das Verhältnis zwischen den beiden Elementen der Staatsgewalt verfassungskonform zu regeln, ohne dass dadurch allerdings der eigentliche Konflikt zwischen Legislative und Exekutive in Bezug auf die rechtliche Gestaltung der Schule gelöst worden wäre.
Schmidt-Blekers Arbeit überzeugt durch eine vorzügliche, ebenso klare wie präzise Schilderung des Konflikts zwischen Legislative und Exekutive im Schulrecht der konstitutionellen preußischen Monarchie des 19. Jahrhunderts, der einmal mehr deutlich macht, dass in Preußen der Monarch als Staatsoberhaupt nicht gewillt war, die Macht über die Schule und das Schulrecht völlig aus der Hand zu geben und deren Gestaltung der Zuständigkeit des Parlaments zu überlassen. Zu wichtig erschienen ihm Regulierung und Kontrolle dieses Bereiches für Bestand, Sicherung und Entwicklung, d. h. „das Wohl“, von Monarchie und Staat.
Salzburg Arno Buschmann