Schatzmann, Nikolaus, Verdorrende Bäume und Brote wie Kuhfladen. Hexenprozesse in der Leventina 1431-59 und die Anfänge der Hexenverfolgung auf der Alpensüdseite. Chronos, Zürich 2003. 512 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Im Jahre 2004 schlug ein bekannter Strafrechtshistoriker dem Herausgeber das mit einer Folterszene aus der Zürcher Chronik des Johann Jakob Wick geschmückte Werk zur Besprechung vor. Nach erfolgreicher Vermittlung blieb freilich die Zusage unerfüllt. Deswegen muss der Herausgeber das Werk hilfsweise vorstellen.

 

Es ist die von Hans-Jörg Gilomen von der Universität Zürich betreute, auf einer vorangehenden Lizentiatsarbeit aufbauende Dissertation des als Geschichts- und Deutschlehrer die Brote für seine Familie verdienenden Verfassers. Das Vorwort beginnt mit dem Hinweis, dass die Beschäftigung mit Hexenprozessen Außenstehende zu völlig konträren Reaktionen provoziere, wobei sich Laien geradezu fasziniert zeigten, Wissenschaftler dagegen eher belustigt, bisweilen angewidert, in jedem Fall skeptisch. Gleichwohl hat sich der Verfasser von seinem Lehrer dafür begeistern lassen, einen Beitrag zu den Anfängen der Hexenverfolgung im Spätmittelalter zu leisten, der freilich im Titel den Blickfang verdorrender Bäume der nüchternen, in der interessanten Schrift geleisteten Sachbeschreibung voranstellt.

 

Gegliedert ist das Werk in neun Kapitel, wobei der Verfasser zunächst seinen Ausgangspunkt und seine Fragestellung und danach das Quellenmaterial beschreibt. Im Anschluss daran erläutert er den Aufbau seiner Arbeit. Auf dieser Grundlage erklärt er die Begriffe Hexe, Hexenverfolgung und Hexerei.

 

Recht ausführlich legt er den bisherigen Forschungsstand dar. Dabei steht im Mittelpunkt die Entwicklung des Hexenbildes. Durch die Analyse der Leventiner Hexenprozesse will er an Hand der formalen und inhaltlichen Strukturen der Prozesse und ihrer Durchführung wichtige neue Anhaltspunkte für die Verschmelzungs- und Tradierungsprozesse zwischen dem deutschen Kulturbereich und dem romanischen Kulturbereich gewinnen.

 

Im nächsten Kapitel wendet er sich seinem Untersuchungsraum zu und lässt der wirtschaftlichen Situation im 15. Jahrhundert die Zeit der Mailänder Herrschaft und die Expansion Uris über den Gotthard folgen, wobei sich die Frage nach Bruch oder Kontinuität stellt. Es folgen organisatorische und juristische Aspekte der Prozesse, die Untersuchungen gegen 15 Männer und 24 Frauen betreffen, wobei nur elf Urteile erhalten sind, so dass Aussagen über den möglichen Verlauf der Verfolgungen gegen die weiteren 28 Personen erschlossen werden müssen.

 

Sehr ausführlich behandelt er danach die Hexenbilder in den Prozessen. Daraufhin fragt er nach Herkunft und Tradierung des Hexenbildes aus dem Norden, Westen oder Norditalien. Schließlich befasst er sich mit den Ursachen und Hintergründen sowie der Dynamik der Prozesse. Im Ergebnis stellt er fest, dass in der Leventina von 1457 bis 1459 eine Kette von Prozessen stattgefunden hat, die einerseits zeigen, wie schnell Bevölkerung und Obrigkeit die nur kurz zuvor entstandenen Ideen aufgriffen und bereit waren, eine notwendigerweise zur Solidarität verpflichtete Gesellschaft ins Chaos zu stürzen, andererseits aber auch erkennen lassen, dass die Verfahren nicht zur schnellen Ausbreitung des neuen Hexenkonzepts in der Region beitrugen.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler