Recht und Verhalten in vormodernen Gesellschaften. Festschrift für Neithard Bulst, hg. v. Bendlage, Andrea/Priever, Andreas/Schuster, Peter. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2008, 296 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Neithard Bulst promovierte nach dem Studium von Geschichte, Romanistik und Politikwissenschaft in Heidelberg, Kiel, Lyon und Gießen 1968 bei Peter Classen in Gießen über die Klosterreformen Wilhelms von Dijon im 9. und 10. Jahrhundert. Nach dem Wechsel mit dem Lehrer nach Heidelberg habilitierte er sich 1976 im Zielbereich der frühen französischen Generalstände des 14. Jahrhunderts auf Grund der Quellenlage mit einer prosopographischen Untersuchung über die Delegierten zu den französischen Generalständen von 1468 und 1484. 1978 folgte er einem Ruf nach Bielefeld, wo er sich nicht nur intensiv an der Selbstverwaltung beteiligte, sondern sich in vielen Sammelbänden und Aufsätzen sachverständig mit Krankheit und Pest, Aufwand und Luxus, Repräsentationsversammlungen, Demographie und Prosopographie, Recht und Verhalten, Kirchengeschichte, Lippe und anderen Themen befasste.

 

Seine Untersuchungen zu Recht und Verhalten betreffen etwa die kollektive Gewalt in englischen und französischen Bauernaufständen im 14. Jahrhundert oder normative Texte als Quellen zur Kommunikationsstruktur zwischen städtischen und territorialen Obrigkeiten im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Wirkungen von Normen zur Regulierung von Gewaltverhalten hat er ebenso untersucht wie Kriterien der Rechtsprechung zur Gewalt. Dementsprechend haben ihn Rechtsverstöße und ihre Folgen ganz besonders interessiert.

 

Von daher versteht sich der Titel der für ihn von Andrea Bendlage, Andreas Priever und Peter Schuster organisierten Festschrift sehr gut. Dass dabei das Recht dem Verhalten voransteht, ehrt die Rechtswissenschaft. Sozial ist es freilich nur ein menschliches Steuerungsmittel für individuelles Verhalten.

 

Insgesamt vereint der mit dem Holzschnitt Tobias Stimmers (1539-1584) von den weltlichen Ständen geschmückte Band 15 Studien. Sie reichen von der Geschichte einer der ältesten Glocken Westfalens (Heinrich Rüthing) bis zur Entbehrlichkeit der Justiz auf Grund eines Blickes in Georges Simenons Kriminalroman Der Mörder (Frank Rexroth). Dabei werden auch ungewöhnliche Einblicke in das gewöhnliche Leben (Lars Behrisch) geboten.

 

Verbrechen und Strafe in der spätmittelalterlichen Nürnberger und Augsburger Chronik untersucht Peter Schuster. Mit Norm und Praxis einer den Juden aufgezwungenen Kennzeichnungspflicht (Das gelbe zeychen) befasst sich Klaus Schreiner, mit Bastarden in spätmittelalterlichen Legitimationsbriefen Simona Slanička., mit einem Zivilprozess im Zeichen der Ausweisung der Juden aus Münster 1554 Andrea Bendlage, mit der Kölner Wechselordnung von 1675/1691 Stefan Gorissen. Als Rechtshistoriker wirkt Wolfgang Schild mit Anmerkungen zum frühneuzeitlichen Folterrrecht an der durch ein Schriftenverzeichnis und eine Gratulantenliste abgerundeten Festgabe für einen vielseitig interessierten, sympathischen Historiker mit.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler