Pissler, Knut Benjamin, Gläubigeranfechtung in China. Eine rechtshistorisch-rechtsvergleichende Untersuchung zur Rechtstransplantation (= Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 203). Mohr (Siebeck), Tübingen 2008. XI, 122 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Untersuchung ist die von Hans Stumpfeldt von der Abteilung für Sprache und Kultur Chinas des Asien-Afrika Instituts der Universität Hamburg betreute Magisterarbeit des Verfassers, der nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Würzburg und Hamburg und der Sinologie in Hamburg als wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg wirkt. Die Idee dazu entstand während der Lehrtätigkeit an der Abteilung, bei der sich die Aufgabe stellte, Sinologen mit Hilfe der rechtsvergleichenden Methode einen Einblick in das chinesische Zivilrecht zu verschaffen. Ausgehend von Konrad Zweigerts und Hein Kötzs Einführung in die Rechtsvergleichung und dem dort behandelten Grundsatz der relativen Wirkung von Parteivereinbarungen weckten zwei im Vertragsgesetz Chinas diesen Grundsatz durchbrechende Rechtsinstitute seine Aufmerksamkeit, nämlich das Subrogationsrecht und die Gläubigeranfechtung.
Bei der näheren Untersuchung dieser Abweichungen des chinesischen Zivilrechts vom deutschen Vorbild stieß er für das Subrogationsrecht auf die französische action oblique. Zugleich stellte er fest, dass das Subrogationsrecht auch in älteren asiatischen Rechtsordnungen im materiellen Zivilrecht geordnet ist. Aus diesem Grunde erweiterte er seine ursprünglich rechtsvergleichende Fragestellung für die Gläubigeranfechtung um eine rechtsgeschichtliche Perspektive.
In der Folge behandelt der Verfasser in vier Kapiteln die Grundlagen einschließlich der Rechtskodifikation in China (Quing-Dynastie, Republik China, Volksrepublik China) und einem Überblick über die historischen und geltenden Regelungen der Gläubigeranfechtung in China (ab 1911), die Gläubigeranfechtung im Zivilgesetz der Republik China, die Gläubigeranfechtung im Recht der Volksrepublik China sowie den entsprechenden Vergleich. Im abschließenden fünften Kapitel stellt er vor allem fest, dass ausländische Vorbilder bei der Gesetzgebung in China zwar vorhanden sind, aber in gewisser Weise sinisiert werden. Als ausländisches Vorbild ermittelt er für die Gläubigeranfechtung die action paulienne Frankreichs, deren Kargheit durch Beiziehung der deutschen Rechtswissenschaft gemildert wurde. Die dabei vorgenommene Sinisierung erweist sich erstaunlicherweise als von den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen des 20. Jahrhunderts verhältnismäßig unabhängig, weshalb er mit gutem Grund auch zur Untersuchung weiterer chinesischer Rechtsinstitute in der von ihm verwendeten rechtshistorisch-rechtsvergleichenden Form aufruft.
Innsbruck Gerhard Köbler