Olenschlager, Johann Daniel von, Neue Erläuterung der Guldenen Bulle Kaysers Carls IV., mit einer Einleitung hg. v. Buschmann, Arno, Band 1, Band 2 (= Historia Scientiarum). Olms, Hildesheim 2008. XXVIII, 36 S. ungezählte Bll., 416 S., Ill., 260 S. 30 S. ungezählte Bll., Ill. Besprochen von Hiram Kümper.
Mit dem Nachdruck von Olenschlagers Kommentarwerk liegen nun die beiden einschlägigen großen Arbeiten des 18. Jahrhunderts zur Goldenen Bulle von 1356 in gut greifbaren Reproduktionen vor, nachdem bereits 2005 Hans Hattenhauer Johann Peter Ludewigs „Vollständige Erläuterung der Güldenen Bulle“ (2. Aufl. 1752) in derselben, von der Fritz Thyssen-Stiftung dankenswert unterstützten Reihe bedeutender Werke der Wissenschaftsgeschichte vorgelegt hat. Olenschlagers Werk, das sich explizit gegen Ludewig absetzte und diesen heftig kritisierte, war letztlich sowohl bei den Zeitgenossen als auch seitens späterer Generationen mehr Erfolg beschieden – wohl auch, weil Ludewig nicht nur gegenüber Karl IV. und seinem Gesetzeswerk, sondern auch in anderen Werken und Briefen gegenüber seinen Fachkollegen an Polemik nicht sparte. Dagegen liest sich Olenschlagers „Vollständige Erläuterung“ zurückhaltender, abwägender; vor allem aber ist dessen historisch-kritischer Ansatz immer wieder lobend hervorgehoben worden, der durch die Beigabe eines (ebenfalls im Rahmen der Ausgabe nachgedruckten) Urkundenbuches als zweiten Band ganz deutlich unterstrichen wird. Dieser Ansatz ist gleichsam hermeneutisches Programm, kein Selbstzweck, denn es geht ihm darum, die „wahre Meynung der in der Guldenen Bulle enthaltenen Verordnungen“ (unpaginierte Vorrede) zu ergründen. Das war der Sache nach nicht neu und hatte auch Ludewig schon zur Historie geführt, war aber in den Arbeiten zur Goldenen Bulle bislang nicht so konsequent und mit solcher Akribie durchgeführt worden. In einer Hinsicht unterscheidet sich Olenschlagers Arbeit allerdings ganz deutlich von Ludewigs, wie überhaupt von seinen Vorgängern: Denn auf die Auswirkungen der Goldenen Bulle auf die Reichsverfassung geht er ganz bewusst nicht ein (ebenda: „Aus den neuern Reichshandlungen wird man übrigens hier wenig angemerkt finden; […] Da auch die anderen Ausleger bey ihren Arbeiten mehr das neuere als das vormalige Reichswesen zum Augenmerke gehabt haben; schien es mir unschicklich, dieselbe hier auszuschreiben; wenn ich selbst nichts erhebliches anzubringen vermochte.“).
Die Herausgabe des Nachdrucks hat Arno Buschmann besorgt, der in einer knappen, aber zweckmäßigen Einleitung die Bedeutung und den Aufbau der Arbeit umreißt. Besonders letzteres ist sehr gelungen und vermittelt rasch einen Einblick in Olenschlagers Argumentationsgang. Dagegen fällt die Einordnung in die zeitgenössische Diskussion, die Auseinandersetzung mit Ludewigs Arbeit, wie überhaupt in die Geschichte der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Goldenen Bulle sehr sparsam aus. Es ist nachdrücklich zu begrüßen, dass Buschmann sich sowohl in der Darstellung wie auch im Fußnotenapparat auf das Nötigste beschränkt; anstatt sich in gelehrten Ausführungen und Anmerkungswüsten zu ergehen, bleibt er eng am Text des einzuleitenden Werkes und kommentiert sehr ausgewogen dessen Wert für die juristische Wissenschaftsgeschichte – bis heute. Allerdings wäre gerade angesichts der zum Jubiläumsjahr 2006 größeren Zahl von Neuerscheinung zumindest ein knapper bibliographischer Hinweis auf die neuere Literatur sicher wünschenswert gewesen (für die ältere, gerade für die Kommentarliteratur, bleibt auf die auch das 17. und 18. Jahrhundert umfassende Bibliographie von Armin Wolf, Die Goldene Bulle – König Wenzels Handschrift. Vollständige Faksimileausgabe des Cod. 338, Kommentarband, Graz 1977, S. 48-53 zu verweisen).
Vechta Hiram Kümper