Mittelalterliche und frühneuzeitliche deutsche Übersetzungen des pseudo-hugonischen Kommentars zur Augustinusregel Corpus Victorinum, hg. v. Kramp, Igna Marion (= Corpus Victorinum, Textus historici 2), Aschendorff, Münster 2008. 533 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Links der Seine vor den Mauern von Paris entstand 1108 eine den Märtyrer Viktor aus Marseille zum Patron wählende Gemeinschaft von Regularkanonikern, deren bedeutendstes Mitglied vielleicht um 1113 der in Hamersleben bei Halberstadt ausgebildete Hugo wurde. Nach diesem hochmittelalterlichen Universalgelehrten wurde 1990 ein Institut für Quellenkunde des Mittelalters an der philosophisch-theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main benannt. Das dort beschlossene Corpus Victorinum bezeichnet ein Forschungs- und Publikationsprojekt, das sich auf die Pariser Abtei (1113) Sankt Viktor und ihre Autoren bezieht und eine intellektuell-spirituelle Topographie eines Pariser Mikrokosmos (12. bis 18. Jahrhundert) intendiert, in dem alle relevanten Texte aus dem Umkreis der Abtei und der ihr verwandten Häuser sowie die Werke der Viktoriner Autoren versammelt werden.
Dabei will die Reihe der Textus historici Ausgaben vorlegen, die ein Werk eines Victoriner Autors in der Gestalt einer einzigen ausgewählten Handschrift wiedergeben. Dabei wird besonderes Gewicht der rekonstruierten Ausgabe der Werke Hugos von Sankt Viktor beigemessen, weshalb mit dem Band De sacramentis Christianae fidei begonnen wurde. Dem schließt sich zeitlich unmittelbar folgend der vorliegende zweite Band an.
Er entstand aus der Textsammlung zu Igna Marion Kramps 2002 im Fachbereich neuere Philologien der Universität Frankfurt am Main eingereichten Dissertation über die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Übersetzungen der Expositio in Regulam Sancti Augustini Liutberts von Saint-Ruf. Hierfür sind die Texte überarbeitet und mit Apparaten ausgestattet. Die Bedeutung des Werkes zeigt sich an etwa 250 lateinischen Handschriften, denen aus der Zeit zwischen dem 13. und dem 17. Jahrhundert 49 Handschriften mit Übersetzungen in oberdeutscher, niederdeutscher und niederländischer Sprache gegenüberstehen.
In der Einleitung werden die mit den Übersetzungen verbundenen Fragen übersichtlich dargestellt. Ausgewählt sind dann die Katharinentaler Übersetzung, die Nürnberger Übersetzung, die Rebdorfer Übersetzung, die Übersetzung des Hieronymus Mai, die Rookloster-Übersetzung, die Londoner Übersetzung, die Brüsseler Übersetzung und die Genter Übersetzung. Da ein zugehöriger lateinischer Text ebenso fehlt wie ein Wortregister wird trotz der ansprechenden Gestaltung der Zugang durch Interessenten der Bibliotheksgeschichte, Kunstgeschichte und Bildungsgeschichte sowie vor allem der politischen Geschichte vielleicht seltener stattfinden, als von dem interessanten Gesamtunternehmen erhofft.
Innsbruck Gerhard Köbler