Ludwig Hassenpflugs zweite Amtszeit als kurhessischer
Staatsminister war es vor allem, die hierzulande seinen schlechten Ruf als
konservativer, ja reaktionärer Politiker begründet hat („Hassenpflug der Hessen
Fluch”). „Erneut drangsalierte er Parlament [und Presse, erneut ließ er es auf
einen heftigen Konflikt mit den Liberalen] ankommen. Die Steuerverweigerung des
Landtags beantwortete er mit der Verhängung des Kriegszustands. Und
anschließend ließ er eine Bundesexekution mit dem Einmarsch von Bundestruppen nach
Kurhessen durchführen“ (Grothe S. XII-XIII; die letzte Zeile der S. XII
ist beim Druck verloren gegangen und wurde hier in [ ] ergänzt). Seine eigene
Schilderung dieser Jahre ist natürlich subjektiv und dient letztlich auch der
eigenen Rechtfertigung, aber sie ist gleichwohl eine wichtige Ergänzung der
Quellen für diese Zeit. „Gegenüber den gleichfalls recht zeitnahen liberalen
Schilderungen des Verfassungskampfes durch Heinrich Gräfe, Friedrich Oetker u.
a. bildet sie gewissermaßen ein konservatives Pendant“; aber nicht nur die
politische Richtung sei eine andere, sondern auch der Blickwinkel, denn hier
berichte eben kein Parlamentarier und kein Publizist, sondern ein Mitglied der
Regierung (Grothe S. XXI-XXII). So ist die Veröffentlichung der
„Denkwürdigkeiten“ Hassenpflugs nur zu begrüßen.
Die Editionsgrundsätze (Grothe S. XXV) und die
Gestaltung des Drucks sind zweckentsprechend. Leider hat Grothe jedoch die
Seitenzahlen der Vorlage, nach denen Rüdiger Ham in seiner
Hassenpflug-Biographie (Studien zur Geschichte der Neuzeit 50, Hamburg 2007)
zitiert, nicht angegeben. Das erschwert die vergleichende Arbeit mit diesen
beiden Publikationen.
Zum Anmerkungsapparat sagt Grothe (S. XXV): „Der
Kommentar erfüllt die Aufgabe, alle Personen, Ereignisse und unbekannten
Zusammenhänge zu erläutern.“ Bei 1593 Anmerkungen zu 388 Seiten Text scheint
diese Aufgabe erfüllt zu sein. Aber es bleiben doch noch Wünsche offen. Das
liegt zum Teil an Beschränkungen, die sich Grothe selbst auferlegt hat:
„Sekundärliteratur wird nur ausnahmsweise in den Anmerkungen aufgeführt.
Insbesondere wird auf biographische Nachweise verzichtet, wenn diese bekannten
Nachschlagewerken entnommen wurden.“
Nehmen wir als Beispiel die Personalien der Mitglieder des
kurhessischen Landtags. Ich stimme mit Grothe überein, dass es nicht
nötig ist, bei jedem Abgeordneten auf Philipp Losch, Die Abgeordneten
der Kurhessischen Ständeversammlungen von 1830 bis 1866, Marburg 1909, zu
verweisen (ich würde allerdings Loschs Arbeit im Literaturverzeichnis
nennen, solange sie noch nicht durch ein besseres Werk ersetzt ist[1]).
Wenn es aber für einzelne Abgeordnete Biographien in der Allgemeinen Deutschen
Biographie, in der Neuen Deutschen Biographie oder in den 6 Bänden der
„Lebensbilder aus Kurhessen und Waldeck 1830 bis 1930“ gibt, dann würde ich
einen Hinweis darauf in der betreffenden Anmerkung schon für nützlich halten.
Das betrifft z. B. Rudolph v. Buttlar-Elberberg (Anm. 358), Bernhard Eberhard
(Anm. 35), Heinrich Gräfe (Anm. 421), Heinrich Henkel (Anm. 75), Friedrich
Oetker (Anm. 419) und Wilhelm Schenck zu Schweinsberg (Anm. 1011).
Ohne Hinweis auf Sekundärliteratur können auch
Sachanmerkungen fragwürdig sein. S. 157 spricht Hassenpflug davon, dass
Landgraf Philipp „gegen Ende des 17ten Jahrhunderts der Beiname ‚magnanimus’
von Historikern beigelegt worden, ein Beiname, der jetzt als ‚Philipp der
Großmüthige’ in Jedermanns Munde ist.“ Dazu Grothe in Anmerkung 718:
„Angeblich haben bereits die Zeitgenossen von ‚Philipp magnanimus’
gesprochen.“ Was bringt diese Bemerkung ohne irgendeinen Beleg? Der Verweis auf
Wilhelm Schmitt, Landgraf Philipps Beiname „Der Großmütige“, in:
Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde 64, 1953, S.
144-147, würde dagegen etwas gebracht haben.
Schließlich sei noch eine Korrektur erlaubt. Graf
Leiningen, der österreichische Feldmarschallleutnant Christian Graf zu
Leiningen-Westerburg-Neu-Leiningen (1812-1856), einer der zwei
Bundeszivilkommissare für Kurhessen, der bei Grothe im Index aus
unerfindlichen Gründen unter Neu-Leiningen-Westerburg erscheint, erzählt S.
142f. Spukgeschichten aus seinem Schloss Westerburg. Es handelt sich dabei
nicht um einen kleinen Ort südlich von Oldenburg (so Grothe Anm. 665),
sondern um die namengebende Stammburg der Grafen zu Leiningen-Westerburg über
der Stadt Westerburg im Westerwald; vgl. Georg Dehio, Handbuch der
deutschen Kunstdenkmäler. Rheinland-Pfalz, Saarland, 2. Auflage, München,
Berlin 1984, S. 1129f.; Ludwig Petry (Hrsg.), Rheinland-Pfalz und
Saarland (Handbuch der Historischen Stätten Deutschlands 5), 3. Aufl.,
Stuttgart 1988, S. 401f. Zu den Westerburger Spukgeschichten vgl. Hans
Heiberger, Die Westerburg. Stammhaus der Grafen zu Leiningen-Westerburg,
1978, S. 60-62, wo auch wieder der Adjutant des Grafen, Hauptmann Baron Uracca
erwähnt wird; ob der Adjutant mit dem späteren österreichischen Generalmajor
Josef Freiherr von Uracca (1824-1879)[2]
identisch ist, müsste überprüft werden.[3]
Die Westerburg gehörte später der Linie Alt-Leiningen, die 1929 mit Gustav Graf
zu Leiningen-Westerburg-Alt-Leiningen im Mannesstamm erloschen ist. Der
Adoptivsohn seiner Schwester Eleonore, Konrad Graf zu
Leiningen-Westerburg-Alt-Leiningen, hat bis 1993 im Schloss gewohnt und es vor
dem Ruin bewahrt; er ist kurz nach seinem 100. Geburtstag am 18. September 1993
gestorben. Seitdem ist das Schloss nicht mehr im Familienbesitz.
Marburg Wilhelm
A. Eckhardt
[1] Jochen Lengemann, MdL 1808-1996. Biographischer
Index (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 48, 7 = Politische
und Parlamentarische Geschichte des Landes Hessen 14), Marburg 1996, will (vgl.
S. 11f.) und kann mit seinen Kurzbiographien die Langfassungen mit
Literaturhinweisen bei Losch nicht ersetzen.
[2] So Antonio Schmidt-Brentano, Die k.k. bzw. k.u.k. Generalität
1816-1918, Österreichisches Staatsarchiv 2007 (im Internet), S. 191.
[3] Auf Anfrage teilte Frau Kollegin Renate Domnanich vom
Österreichischen Staatsarchiv/Kriegsarchiv am 25. Juli 2008 mit, daß der
spätere Generalmajor (* Wien 26.11.1823, † Czernowitz 12.2.1879) Anfang der
1850er Jahre Brigade- und Truppendivisionsadjutant war, anschließend
Bundestruppen Oberkommandoadjutant zu Frankfurt am Main, dann dem
Feldmarschallleutnant Graf Leiningen-Westerburg zur Dienstleistung zugeteilt
war. Nähere Angaben waren also (entgegen Grothe Anm. 666) durchaus
ermittelbar.