Die
Beiträge in dieser der Londoner Historikerin Caroline M. Barron gewidmeten
Festschrift befassen sich vornehmlich mit dem wirtschaftlichen, religiösen,
sozialen und kulturellen Leben im mittelalterlichen London. Drei der insgesamt
26 Beiträge sind als rechtsgeschichtlich ausgewiesen und sollen daher
vorangestellt werden: Derek Keene, Out of the Inferno: an Italian Lawyer
in the Service of Odovardo re de Anglia and his London Connections (S.
272-292), befasst sich mit dem italienischen Rechtsgelehrten Francesco Accursii
(1225-1293), der von 1274 bis 1281 in den Diensten König Eduards I. von England
stand und sich während dieser Zeit vornehmlich in London aufhielt. Die
Hintergründe seiner Verpflichtung (äußerst lukratives Angebot Eduards I.,
politische Situation in Bologna), seine beruflichen und privaten Aktivitäten (Gascogne,
Berufung des Bischofs von Bath und Wells zum Erzbischof von Canterbury;
Geldverleih) und seine Beziehung zu den in London wohnenden italienischen
Kaufleuten werden beleuchtet. Die selbstgestellte Frage, ob Accursii einen
Anteil an den zu dieser Zeit beobachtbaren Neuerungen im Königreich und London
(etwa die römisch-rechtlichen Einflüsse beim Statute of Wales 1284; Kodifizierung
der Stadtrechte) hatte, wird vorsichtig beantwortet: eine direkte Einflussnahme
ist nicht zu belegen, doch kann eine Rolle „through conversations which in both
London and the kingdom at large contributed to disseminating new ideas and procedures
useful in English affairs“ nicht ausgeschlossen werden (S. 291). Stephen
O’Connor, A Nest of Smugglers? Customs Evasion in London at the Outbreak of
the Hundred Years’ War (S. 293-304) analysiert die Ergebnisse der Untersuchungskommission,
die sich mit den Anschuldigungen befasste, die aufgrund einer 1342 vom König
angeordneten Untersuchung zum Schmuggel von Handelswaren (insbesondere Wolle,
Wollfelle und Häute) in London gemacht wurden. Der vornehmlich von Fisch- und
Stockfischhändlern betriebene Schmuggel hatte nur geringe Ausmaße und keine
nachweisbaren Auswirkungen auf die Finanzierung des Hundertjährigen Krieges. Penny
Tucker, London and ‘The Making of the Common Law’ (S. 305-315)
argumentiert, dass London nicht nur (passiven) Einfluss auf das Common Law, sondern
auch auf die Common Law-Gerichte in Westminster hatte, insbesondere weil
Personen, die in London öffentliche Ämter bekleidet hatten, zu Richtern
aufstiegen (John Fortescue, Thomas Billyng), und wiederholt damit ein Argument,
das in ihren früheren Veröffentlichungen bereits auftauchte.
Die
restlichen Beiträge sollen nur kurz angezeigt werden, da sie die
Rechtsgeschichte nicht berühren. Barbara Harvey, Westminster Abbey and
Londoners, 1440-1540 (S. 1-37) untersucht die Rolle der Abtei als Verpächter
und Konsument in London verkaufter Güter; Ian W. Archer, Conspicuous
Consumption Revisited: City and Court in the Reign of Elizabeth I (S. 38-57)
beschäftigt sich mit der wirtschaftlichen Bedeutung des Hofes für London; Martha
Carlin, Putting Dinner on the Table in Medieval London (S. 58-77) verfolgt
den Weg der Lebensmittel vom Händler zum Verbraucher; Carole Rawcliffe,
Christ the Physician Walks the Wards: Celestial Therapeutics in the Medieval
Hospital (S. 78-97) gibt impressionistische Einblicke in das Erscheinungsbild
mittelalterlicher Hospitäler und plädiert dafür, neben Schriftquellen auch Vignetten,
Kirchenfenster, Wandzeichnungen und Wandbehänge und ähnliches zu
berücksichtigen; Clive Burgess, London, the Church and the Kingdom (S.
98-117), beschäftigt sich mit der von Heinrich VIII. am 11 November 1535
angeordneten Prozession zur Feier der Genesung des französischen Königs; Gervase
Rosser, Party List: Making Friends in English Medieval Guilds (S. 118-134)
widmet sich dem Thema der Freundschaft in den mittelalterlichen Gilden; Mary
Erler, Religious Women after the Dissolution: Continuing Community (S.
135-145) beleuchtet die Wohngemeinschaften von Nonnen nach der Auflösung der
Klöster; Hannes Kleineke, The Schoolboy’s Tale: A Fifteenth-Century
Voice from St Paul’s School (S. 146-159) analysiert die Berichte über das
Verschwinden eines Schülers der Schule von St Paul’s im Jahr 1434; Anne F.
Sutton, The Women of the Mercery: Wives, Widows and Maidens (S. 160-178)
wertet 197 Testamente von Tuchhändlern aus dem 15. Jahrhundert im Hinblick auf
Frauen aus; Stephanie R. Hovland, Girls as Apprentices in Later Medieval
London (S. 179-194) konzentriert sich auf die Londoner Vorschriften für Lehrmädchen;
John R. Oldland, The Wealth of Early Tudor Craftsmen in London based on
the Lay Subsidies (S. 195-211) argumentiert, dass die Londoner Handwerker
wohlhabender waren, als es die Steuerunterlagen vermuten lassen; Jenny
Stratford, Richard II’s Treasure and London (S. 212-229) wertet das
Inventar der Schätze Richards II. aus, das sie ediert; Christian Steer,
Commemoration and Women in Medieval London (S. 230-245) beschreibt die unterschiedliche
Weise, wie Töchtern, Frauen und Witwen gedacht wurde; Elizabeth New,
Representation and Identity in Medieval London: the Evidence of Seals (S.
246-258) analysiert Siegel als Ausdruck von Identität, das heisst als eine Form
von Repräsentation; Jessica Freeman, Simon Seman, Citizen and Vintner of
London (S. 259-264) verfolgt die Karriere des Weinhändlers, Ältermannes und Sheriffs
von 1416 bis zu seinem Tode 1433; Nigel Saul, The Medieval Monuments of
St Mary’s, Barton on Humber (S. 265-271) beschäftigt sich mit in London
hergestellten Grabplatten; Stephen H. Rigby, Ideology and Utopia:
Prudence and Magnificence, Kingship and Tyranny in Chaucer’s Knight’s Tale (S.
316-334) erkennt in den der Figur Theseus von Chaucer zugeschriebenen
politischen Tugenden genau diejenigen, die Richard II. nach Meinung seiner
Gegner fehlten; Paul Strohm, Interpreting a Chronicle Text: Henry VI’s Blue
Gown (S. 335-345) bricht an einem Beispiel aus der Great Chronicle of London
(Guildhall Library MS 3313) in überzeugender Weise eine Lanze für
mittelalterliche Chroniken als glaubwürdige historische Quelle; Mary Rose
McLaren, Reading, Writing and Recording. Literacy and the London Chronicles
in the Fifteenth Century (S. 346-365) befasst sich mit der Schriftlichkeit der
Kaufmannschaft, aus deren Reihen die Verfasser der Londoner Chroniken stammten; Laura Wright, The Playground
Language of London Schoolchildren: Southern Voicing Revisited (S. 366-383)
beschäftigt sich mit der Geschichte des von Kindern benutzten Lexems fainities,
mit dem eine Auszeit während eines Spiels erbeten wurde; Sheila Lindenbaum,
Literate Londoners and Liturgical Change: Sarum Books in City Parishes after
1414 (S. 384-399) untersucht die Bedeutung der liturgischen Bücher, die den
nach dem Ort Salum (nahe Salisbury) benannten und zunächst in der Diözese von
Salisbury benutzten lateinischen Ritus enthielten. Zu erwähnen ist noch die von
Vanessa Harding verfasste Würdigung des wissenschaftlichen Werkes der
Geehrten (Caroline Barron and the Study of Medieval London, S. 1-11) und die
von Heather Creaton zusammengestellte Bibliographie (A Bibliography of
the Published Writings of Caroline M. Barron, S. 400-404). Hannes Kleineke
zeichnet für den Index verantwortlich, der diese gewichtige Festschrift
abrundet.
Fürth Susanne
Jenks