Kohl, Gerald, Stockwerkseigentum. Geschichte, Theorie und Praxis der materiellen Gebäudeteilung unter besonderer Berücksichtigung von Rechtstatsachen aus Österreich (= Schriften zur europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte 55). Duncker & Humblot, Berlin 2007. 575 S. Besprochen von Theodor Bühler.

 

 

Diese Wiener Habilitationsschrift behandelt das Stockwerkseigentum vor allem nach österreichischem Recht.

 

In einem ersten Teil werden Begriff des Stockwerkseigentum und seine Abgrenzung zum Miteigentum, der Forschungsstand, die Zielsetzung und Methoden sowie die Verbreitung des Stockwerkseigentum dargestellt. In einem zweiten Teil, dem eigentlichen rechtshistorischen Teil, wird die österreichische Gesetzgebungsgeschichte bezüglich Stockwerkseigentum mit Bezügen zur entsprechenden deutschen Gesetzgebungsgeschichte sehr ausführlich geschildert. Dabei werden auch die verschiedenen Gesetzesentwürfe von Privaten oder privaten Organisationen erläutert. In einem dritten Teil kommen Grundfragen des Stockwerkseigentums, dessen Rechtsnatur, Alternativkonstruktionen und der historische Ursprung des Stockwerkseigentums zur Sprache. Der vierte und letzte Teil ist der dogmatische mit den mit dem Stockwerkseigentum zusammenhängenden Rechtsfragen. Jedes Kapitel wird in zwei Teilen aufgegliedert, einen theoretischen und einen rechtstatsächlichen Teil, wobei letzterer auf einer breiten Untersuchung der Grundbucheintragungen beruht. In einem Anhang werden die Materialien zur Verordnung eines Verstückungsverbotes für die Stadt Salzburg von 1853, zum Gesetz von 1879 und Regelungsentwürfe von Heinrich Kiwe (1925), von E. H. Wilhelm Meyer (1930), von Alfred Hugenberg (1935) und vom „Blauen Adler“ (1935) publiziert.

 

Das Stockwerkseigentum widerspricht naturgemäß der römischrechtlichen Absolutheit des Eigentumsbegriffes, seiner Unteilbarkeit und dem Akzessorietätsprinzip. Deswegen wurde es von den Pandektisten als systemwidrig bekämpft. Vor allem war es Philpp Harras von Harrasowsky, der auf ein Verbot des Stockwerkseigentum drängte. Während Grundstücke teilbar seien, seien es Gebäude nicht.

 

Der französische Code civil enthielt eine Regelung des Stockwerkeigentums. Weder das preußische Allgemein Landrecht noch das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch enthielten eine Regelung des Stockwerkeigentums, verboten es aber auch nicht. Der pandektistische Purismus rief jedoch nach einem Verbot von Neubegründungen, was zunächst (1852/53) auf regionaler Ebene erfolgte. 1879 wurde das Verbot für das ganze Gebiet der k. und k Monarchie eingeführt. Hauptgründe für ein solches Verbot waren neben den bereits erwähnten dogmatischen die Tatsache, dass die Ausscheidung der Teile, an denen das Stockwerkseigentum begründet wurde, schwierig, wenn nicht geradezu unmöglich war, dass die Regelung der notwendigen gemeinsamen Anlagen wie Grundstück, auf dem die Stockwerke standen, der Außenmauern, der Stiegen, der Gänge, der Keller, der Aborte, der Tenne und der Dächer ebenfalls schwierig war und bei deren Verbücherung große Probleme bereitete und dass das Stockwerkseigentum eine Quelle von Streitigkeiten darstellte.

 

Umgekehrt stand ein Verbot des Stockwerkseigentum im Widerspruch zur Rechtswirklichkeit, indem das Stockwerkseigentum auf dem Gebiet der k. und k. .Monarchie sehr verbreitet war, namentlich in Vorarlberg, in Tirol, in Osttirol und im heutigen Südtirol, in Salzburg, in Hallein, in der heutigen Tschechischen Republik und in Istrien. Besonders beliebt ist das Stockwerkseigentum in Gebieten, die vornehmlich von Juden bewohnt sind. Die Erfassung des bisherigen Stockwerkseigentumsfälle und gegebenenfalls ihre Anpassung an das neue Recht brachte erhebliche Probleme mit sich. Mit der Wohnungsnot nach dem ersten Weltkrieg und vor allem nach dem zweiten Weltkrieg erwies sich das Verbot als völlig unzweckmäßig, so dass das Stockwerkseigentum am 8. Juli 1948 durch das Wohneigentumsgesetz in Österreich wieder eingeführt werden musste. Analog war die Entwicklung vom Verbot zur Wiedereinführung in Deutschland und in der Schweiz. Einmal mehr obsiegte der „pays réel“ über den „pays légal“.

 

Die rechtstatsächliche Untersuchung zeigt denn auch auf , dass bei der Verbücherung von Stockwerkseigentum erhebliche Probleme hinsichtlich der materiellen Anteile und deren Aktualität bestanden, die der Verfasser im Einzelnen ausführt, dass jedoch das Klischee von den armen Stockwerkseigentümern in dieser Allgemeinheit nicht bestätigt werden kann. Während die Theorie und dabei insbesondere manches Gesetzgebungsprojekt die Vereinigung materieller Anteile durch Vorkaufsrechte oder ähnliche Rechte zwischen den Stockwerkseigentümern fördern wollte, fehlt derartiges im realen Rechtsleben vollkommen. Die Verfügungsfreiheit der einzelnen Stockwerkseigentümer war vielmehr maßgebend. Der österreichische Gesetzgeber hat dieses Bedürfnis im Wohnungseigentumsgesetz 1948 insofern berücksichtigt, als er das „Stockwerkeigentum“ als Sammlung von selbständigen Eigentums- und unselbständigen Miteigentumsrechten gestaltete. In diesem Sinne ist letztlich auch das Stockwerkeigentum des schweizerischen Zivilgesetzbuchs, das erst 1965 dort wieder eingeführt wurde, zu verstehen.

 

Die rechtstatsächliche Untersuchung durch den Verfasser zeigt denn auch, dass nicht nur keine Rechtseinheit und keine Rechtssicherheit bestand, sondern eine außergewöhnliche Vielfalt von Rechtsgestaltungen, die nur zum Teil aus den Grundbüchern ersichtlich war, da viele Stockwerkseigentumsverhältnisse nur „mündlich“ geregelt waren. Diesbezüglich scheint das Verbot mehr geschadet als genützt zu haben.

 

Auf S. 211ff. listet der Verfasser die Probleme und Argumente für und gegen das Stockwerkseigentum auf: Bekämpfung der Wohnungsnot, Quelle von Streitigkeiten, sozialer Wert auch eines beschränkten Eigentums, Änderungen der Bau- und Wirtschaftsweise, wobei der Hochhausbau besonders relevant ist. Ein Argument fehlt allerdings, jenes des verfügbaren Baulandes, wie dies in der Schweiz der Fall ist.

 

Sehr sorgfältig und vollständig behandelt der Verfasser die Rechtsfragen, die das Stockwerkeigentum mit sich bringt. Besonders breit werden die Probleme dargestellt, die das Stockwerkseigentum an das Grundbuch stellt. In Österreich bestehen offenbar Hemmungen, Pläne der betreffenden Stockwerken aufzunehmen (vgl. hierzu schweizerische Grundbuchverordnung Art. 2), unter anderem wegen  der Gefahr von Ungenauigkeit. Hier wäre eine amtliche Vermessung hilfreich (Schweiz.Grundbuchverordnung Art.2).

 

In einer rechtshistorischen Zeitschrift müssen diese wenigen Hinweise auf die geltenden Rechtsordnungen genügen.

 

Der Verfasser behandelt ebenfalls die seit 1963 bestehende Regelung des Stockwerkseigentums in der Schweiz. Deren Entwurf hatte Prof. Dr. Peter Liver verfasst. Seine Motive hat er in einem Aufsatz „Miteigentum als Grundlage des Stockwerkeigentums“ zusammengefasst, den der Verfasser offenbar nicht kennt. In diesem Aufsatz vertritt Liver eine besondere Gestaltung des Miteigentums an der Stelle des reinen Stockwerkseigentums, die den dogmatischen Bedenken gegen das Stockwerkseigentum besser Rechnung trägt als die bisher bekannten Regelungen des Stockwerkseigentums.

 

Ungeachtet dessen ist die besprochene Arbeit eine äußerst wertvolle Monographie zum Stockwerkseigentum allgemein, weil sie ein ungeheuere Fülle von Modellen und Rechtsfragen zu dieser Materie enthält und zugleich auch Lösungen bietet für die vielfältigen Probleme, die das Stockwerkseigentum mit sich bringt. Die rechtstatsächliche Untersuchung als Grundlage der monographischen Darstellung ist einmalig und zur Nachahmung empfehlenswert.

 

Zürich/Winterthur                                                                               Theodor Bühler