Hessische Landtagsabschiede 1605-1647, hg. v. Hollenberg, Günter (= Veröffentlichungen der historischen Kommission für Hessen 48, 10 = Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen 33). Elwert, Marburg 2007. X, 481 S. Besprochen von Wilhelm A. Eckhardt.

 

Der vorliegende Band schließt die letzte Lücke in der Reihe der altständischen hessischen Landtagsabschiede. Die Historische Kommission für Hessen und Waldeck (wie sie damals noch hieß) hatte schon früh mit der Veröffentlichung hessischer Landtagsakten begonnen; ein erster Band für die Jahre 1508 bis 1521, herausgegeben von Hans Glagau, erschien bereits 1901. Doch dann stockte das aufwendige Unternehmen und kam erst wieder in Gang, als der Hessische Landtag 1979 das Forschungsprojekt „Vorgeschichte und Geschichte des Parlamentarismus in Hessen“ (wie es ursprünglich hieß) ins Leben rief. Allerdings wurde nach den Erfahrungen mit dem ersten Band der Landtagsakten das Konzept geändert und auf die Veröffentlichung der Landtagsabschiede reduziert.

 

Seit 1989 sind im Rahmen dieses Forschungsprojekts vier Bände Landtagsabschiede veröffentlicht worden, allerdings nicht in chronologischer Reihenfolge. Hessische Landtagsabschiede 1526-1603, herausgegeben von G. Hollenberg (Veröff. 48, 5 = Vorgeschichte 9), erschienen 1994 in Marburg, Hessische Landtagsabschiede 1605-1647 sind hier zu rezensieren, Hessen-Kasselische Landtagsabschiede 1649-1798, herausgegeben von G. Hollenberg (Veröff. 48, 3 = Vorgeschichte 5) waren als erster Band schon 1989 in Marburg herausgekommen und Hessen-Darmstädtische Landtagsabschiede 1648-1806, herausgegeben von Karl Murk (Arbeiten der Hessischen Historischen Kommission N.F. 22 = Vorgeschichte 28), erschienen 2002 in Darmstadt.

 

Für die Jahre 1605 bis 1647 ist die Überlieferung hessischer Landtage und landtagsähnlicher Versammlungen besonders dicht. Allerdings endeten sie nicht immer mit formellen Beschlüssen, die als Landtagsabschiede veröffentlicht werden konnten. In solchen Fällen hat Hollenberg aber wenigstens Verlauf und Beratungsgegenstände der betreffenden Versammlungen kurz beschrieben. Das ist umso wichtiger, als gerade auf solchen Versammlungen oft politisch brisante Themen behandelt wurden. Überhaupt sind die Landtagsverhandlungen dieser Jahrzehnte inhaltlich von besonderem Interesse, weil es in dieser Zeit nicht nur um Fragen der Steuerbewilligung ging. Dazu ein paar Beispiele.

 

Im Marburger Erbfolgestreit waren die Stände immer wieder um einen Ausgleich zwischen Darmstadt und Kassel bemüht. Hier sei nur die gesamthessische landständische Zusammenkunft in Treysa am 17./18. Dezember 1616 (Hollenberg Nr. 17) genannt, zu der Erbmarschall Volprecht Riedesel zu Eisenbach je 8 Vertreter der Ritterschaft und je 3 Vertreter der Städte beider Hessen geladen hatte und bei der als Vergleichsvorschlag die Abtretung des Stifts Hersfeld an Hessen-Darmstadt erwogen wurde. Daraus wurde zwar nichts, aber es war immerhin einen Versuch wert.

 

In der Auseinandersetzung des Landgrafen Moritz mit den Grafen von Waldeck bezogen die Landstände eindeutig Stellung. Hatten sie im Dezember 1620 (Hollenberg Nr. 27) bereits auf den Rechtsweg verwiesen und davor gewarnt, „gegen die graven etwas de facto vorzunehmen“ (was den Landgrafen freilich nicht daran hinderte, im November 1621 die Grafschaft Waldeck militärisch zu besetzen), so forderten sie im August 1622 (Hollenberg Nr. 40) den Abzug der restlichen hessischen Truppen aus Waldeck, und zwar offenbar im Einvernehmen mit den landgräflichen Geheimen Räten, denen Landgraf Moritz deswegen heftige Vorwürfe machte (vgl. Gerhard Menk in Geschichtsblätter für Waldeck 75, 1987, S. 134f.).

 

Gegenüber den landgräflichen Plänen für ein Landesdefensionswerk (vgl. Gunter Thies, Territorialstaat und Landesverteidigung = Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 23, Darmstadt, Marburg 1973), das auch ein Lehnsaufgebot bzw. die Aufstellung berittener Verbände unter eigenen Offizieren durch die Ritterschaft vorsah, verfolgten die Stände eine hinhaltende Taktik. Mit Erfolg. Im Januar 1620 schrieb Landgraf Moritz wegen seiner meist durch die Stände vereitelten Bemühungen an seine Kriegsräte, er habe den „fußgehenden Ausschuß“ bisher allein finanzieren müssen und nicht erreicht, „daß wir im andern Theil des exercitus, nemblich der Reuterey, einer einzigen halben Steige (eine Steige sind 20 Stück) Pferde uns hetten gewiß und versichert machen können“ (Christoph v. Rommel, Geschichte von Hessen, Bd. 7, Kassel 1839, S. 133). Die 1622 abgehaltenen Kommunikationstage mit der Ritterschaft (Hollenberg Nr. 33, 36, 37 und 39; vgl. auch Anm. 271 zu Nr. 38) brachten in der Sache wiederum keinen Fortschritt.

 

Bei der Wiedergabe der Texte hat sich Hollenberg schon 1989 beim zuerst veröffentlichten Band 1649-1798 im Hinblick auf die später zu bearbeitenden Landtagsabschiede des 16. Jahrhunderts für einen weitgehend buchstabengetreuen Druck entsprechend den „Empfehlungen zur Edition frühneuzeitlicher Texte“ im Archiv für Reformationsgeschichte 72, 1981 (bzw. im Jahrbuch für Historische Forschung 1980), entschieden, obwohl er heute eine orthographische Modernisierung für richtig hält (S. 18-20; vgl. auch G. Hollenberg, Heimatgeschichte erforschen und veröffentlichen = Schriften des Hessischen Staatsarchivs Marburg 11, Marburg 1995, S. 26-30). Zwischen diesen beiden extremen Positionen liegt ein weites Feld, auf dem ich mich lieber an den „Richtlinien für die Edition landesgeschichtlicher Quellen“, herausgegeben von Walter Heinemeyer, 2. Auflage, Marburg, Hannover 2000, orientieren würde. Aber das ist letztlich Ansichtssache.

 

Marburg                                                                                                          Wilhelm A. Eckhardt