Gottfried Hagen, Reimchronik der Stadt Köln, hg. v. Gärtner, Kurt/Rapp, Andrea/Welter, Désirée unter Mitarbeit von Groten, Manfred, historischer Kommentar von Bohn, Thomas (= Publikationen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde 74). Droste, Düsseldorf 2008. IL, 424 S. Besprochen von Hiram Kümper.
Gottfried Hagens Chronik der Stadt Köln, nach Eigenaussage ihres Verfassers abgeschlossen im Frühjahr 1271, ist eines der frühen Zeugnisse volkssprachiger Reimchroniken im deutschen Sprachraum – die erste städtische solcher Chroniken überhaupt. Einsetzend mit der niederrheinischen Christianisierung und fortgeführt bis in die unmittelbare Gegenwart ihres Verfassers bleibt sie eine der wichtigsten Quellen für die frühe Stadtgeschichte, die bereits während des Mittelalters von verschiedenen Nachfolgern aufgegriffen und verarbeitet wurde. Die berühmteste Bearbeitung legte 1499 Johann Koelhoff der Jüngere (sog. Koelhoffsche Chronik) als Inkunabeldruck unter dem Titel „Cronica van der hiliger Stat van Coellen“ vor; er löste die meisten der insgesamt knapp 6.300 Verse in Prosa auf, strich die auch später von der Forschung lange Zeit verkannte hagiographische Einleitung und gab dem Werk eine größere Anzahl von Holzschnitten, unter anderem heute berühmte Stadtansichten, bei.
Der Text dieser Bearbeitung, die seit 1982 auch in einem Faksimiledruck und seit kurzem über die Digitale Bibliothek der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel online greifbar ist, ist der nun vorliegenden Edition durchweg als Paralleltext in Petit beigefügt. Die Prosa-Auflösung im so genannten „Agrippina-Autograph“ des Heinrich van Beeck aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts (Köln, Historisches Archiv der Stadt, Chron. und Darst. 19, fol. 76r-94v) dagegen wird als separater Anhang gegeben. Sämtliche anderen heute bekannten Textzeugen werden als Varianten für den Apparat berücksichtig, während der Leittext der Handschrift Ms. germ. 8o 26 der Frankfurter Stadt- und Universitätsbibliothek folgt, dem ohne Zweifel besten Textzeugen, der bereits der Erstedition von 1834 zugrunde lag. Die Einrichtung der Edition folgt modernsten Grundsätzen und wohl begründeten Überlegungen – sie kann nur als vorbildlich bezeichnet werden. Einziger Wermutstropfen bleibt die Einführung einer neuen Verszählung, die aber von den Herausgebern überzeugend als leider notwendig begründet wird (S. XXXIII); eine Konkordanz im Anhang erleichtert den Abgleich mit der alten Zählung.
Für den Rechtshistoriker kann die Chronik vor allem in zweierlei Hinsicht interessant werden: Zum einen des in ihr verarbeiteten Urkundenmaterials, zum anderen der offenbar juristischen Ausbildung oder doch zumindest der juristischen Kenntnisse wegen, die sich in Gottfrieds Werk andeuten. Beides wird leider, da sich eine solche Edition natürlich nicht speziell an Rechtshistoriker wendet, in der vorgeschalteten Einleitung nicht sehr ausführlich beleuchtet, obschon gerade die maßgeblichen Untersuchungen zur Verbindung von Schreiberamt und Chronikwerk des Verfassers am Beispiel der verarbeiteten Urkunden von Mitherausgeberin Désirée Welter vorgelegt worden sind. Die Zusammenfassung ihrer Ergebnisse (S. XXf.) ist allerdings etwas unglücklich gelungen, sodass sie sich weit weniger überzeugend liest als ihre andernorts ausführlicher dargelegte Argumentation. Insgesamt ist die Einleitung teilweise bis zur Andeutung verknappt, was durch die reichen Literaturverweise, die in einer umfänglichen thematischen Bibliographie münden, zumindest zum Teil aufgefedert wird. Sehr konzise schließlich ist der von Thomas Bohn vollständig neu bearbeitete Kommentar, der den älteren von Hermann Cardauns aus dem Jahre 1875 wohl zu ersetzen weiß und nicht nur eine dankbare Verständnishilfe, sondern durchaus auch einen Wegweiser in die Forschungsliteratur zur Reimchronik und zur mittelalterlichen Kölner Stadtgeschichte an die Hand gibt.
Vechta Hiram Kümper