Geschichte der Juden im Mittelalter von der Nordsee bis zu den Südalpen, hg. v. Haverkamp, Alfred, Teil 1 Kommentarband, Teil 2 Ortskatalog, Teil 3 Karten (= Forschungen zur Geschichte der Juden, Abteilung A Abhandlungen 14/1, 14/2, 14/3). Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2002. 428, 468 S., 43 Karten. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das 2002 erschienene Werk hat der Herausgeber einem der bekanntesten Sachkenner zur Besprechung angeboten. Als dieser leider ablehnen musste, konnte er eine weitere Sachkennerin empfehlen. Nach deren Ablehnung hat er eine weitere Empfehlung verwendet und das Werk an Birgit Klein gesandt, von der die Zusage aber bisher nicht erfüllt werden konnte, so dass der Herausgeber selbst die beeindruckende Leistung nachträglich wenigstens kurz anzeigen muss.
Im Vorwort schildert der als Sachkenner bestens ausgewiesene Werkherausgeber den Werdegang kurz und klar. Es handelt sich um den Kernbestand der Erträge aus dem von ihm betreuten Teilprojekt C1 Zur Geschichte der Juden im hohen und späten Mittelalter in der Landschaft zwischen Rhein und Maas und angrenzenden Gebieten des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereichs 235 Zwischen Maas und Rhein - Beziehungen, Begegnungen und Konflikte in einem europäischen Kernraum von der Spätantike bis zum 19. Jahrhundert, das von 1987 bis 2002 gefördert wurde. Die wissenschaftliche Grundlage bildeten als Dissertation oder sonstige Publikation entstandene regionalgeschichtliche Untersuchungen.
Im Kommentarband bietet der Redaktor Jörg R. Müller einleitende Bemerkungen zur kartographischen Darstellung mittelalterlicher Geschichte der Juden in einem europäischen Kernraum. Danach folgen insgesamt 16 Kommentare. Sie sind in drei Gruppen gegliedert.
Am Beginn stehen sieben Kommentare zur Siedlungsgeschichte der Juden und zur kultisch-kulturellen Ausstattung jüdischer Gemeinden in verschiedenen Regionen des Untersuchungsraums, die den Kartensequenzen A und B entsprechen. Behandelt werden dabei der Nordwesten des Reiches (Christoph Cluse/Rosemarie Kosche/Matthias Schmandt), das mittlere Rheingebiet (Rainer Barzen), die Maas-Mosel-Lande mit einem Ausblick in die östliche Champagne (Friedhelm Burgard/Alexander Reverchon), der schwäbische Raum (Jörg R. Müller), Burgund (Annegret Holtmann), die Dauphiné (Fréderic Chartrain) und Savoyen-Piemont (Thomas Bardelle). Damit wird der im Titel aufgestellte Anspruch von der Nordsee bis zu den Südalpen gut eingelöst.
Daran schließen sich drei Kommentare zu Verfolgungen und Vertreibungen an, die den Kartensequenzen C, D und E entsprechen. Sie sind nicht regional gegliedert. Vielmehr untersucht Jörg R. Müller zunächst die Gesamtthematik, während Christoph Cluse und Rosemarie Kosche Vertiefungen für die Zeit des schwarzen Todes und die Jahre nach 1350 vorlegen.
Abschließend werden sechs Kommentare zu thematischen Spezialkarten vorgestellte (Kartenfrequenz F). Sie beziehen sich auf den Mittelrhein am Vorabend der Pestpogrome (Bernhard Kreutz), die Geldleihe im Norden der Grafschaft Burgund um die Mitte des 14. Jahrhunderts (Annegret Holtmann), die Juden und Lombarden im Maas-Rheingebiet während der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts (Winfried Reichert), die Regionalorganisationen jüdischer Gemeinden im Reich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts (Rainer Barzen), auf Migrationswege der Familie von Vesoul (Annegret Holtmann) und auf Ämter und Judensiedlungen in Kurtier von 1307 bis 1354 (Friedhelm Burgard).
Dem durch ein Register abgerundeten Band folgt ein gleichgewichtiger Ortskatalog. Er listet Hinweise von Aach bis Zwolle für wohl mehr als 1500 Orte auf. Auf Grund seiner leichten Handhabbarkeit bildet er einen einfachen und schnellen Zugang zu vielen weiterführenden Veröffentlichungen.
Graphisch veranschaulicht wird das Ergebnis in 43 Karten des dritten Teiles. Damit ist insgesamt eine vorzügliche Grundlage für die Geschichte der Juden im Mittelalter von der Nordsee bis zu den Südalpen geschaffen. Eine gleichwertige Erstreckung auf bisher nicht erfasste, gleichfalls sehr interessante Räume wäre sehr wünschenswert, doch verdient bereits das Vorgelegte besonderen Dank.
Innsbruck Gerhard Köbler