Fischer, Mattias G.,
Reichsreform und „ewiger Landfrieden“ - Über die Entwicklung des Fehderechts im
15. Jahrhundert bis zum absoluten Fehdeverbot von 1495 (= Untersuchungen zur
deutschen Staats- und Rechtsgeschichte N. F. 34). Scientia, Aalen 2007. XIII,
275 S. Besprochen von Arno Buschmann.
Über das Fehderecht und dessen Entwicklung im Hoch- und Spätmittelalter wie über die mittelalterliche Landfriedensbewegung ist seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts eine beachtliche Forschungsliteratur erschienen, die nicht zuletzt durch Otto Brunners bekannte Monographie „Land und Herrschaft“ entscheidende Impulse empfangen hat. Die erste Auflage dieser Monographie stammt, wie man weiß, aus dem Jahre 1939 und hat vor allem für die Beurteilung des mittelalterlichen Fehdewesens völlig neue Perspektiven eröffnet. Es ist hier nicht der Ort, die zeitbedingten Hintergründe zu erörtern, die den Thesen Brunners tatsächlich oder vermeintlich zugrunde lagen bzw. ihnen zugeschrieben wurden. Nur soviel sei gesagt, dass Brunners Werk das überlieferte Bild des mittelalterlichen Fehdewesens, überhaupt des mittelalterlichen Rechts- und Gerichtswesens entscheidend verändert und der Erforschung des mittelalterlichen Rechts, insbesondere des Verhältnisses von Fehde, Recht und Gericht neue Wege gewiesen hat. Seither kann als gesicherte Erkenntnis angesehen werden, dass die Fehde neben dem Gerichtswesen ein tragendes Element des mittelalterlichen Rechtslebens war und zusammen mit den Gottes- und Landfrieden ein beherrschendes Merkmal des gesamten mittelalterlichen Rechts bildete.
Schwerpunkt in den Darstellungen der bisherigen Forschungsliteratur bildete allerdings nicht die Entwicklung im gesamten Mittelalter, sondern in erster Linie die des Hochmittelalters, während die spätmittelalterliche Entwicklung, namentlich im Reich, eher stiefmütterlich behandelt wurde. Diesem Mangel möchte die vorliegende Arbeit, eine von Wolfgang Sellert in Göttingen betreute rechtshistorische Dissertation, abhelfen und gerade diesen Zeitraum und hier insbesondere die Entstehung und Bedeutung des absoluten Fehdeverbots im sog. „Ewigen Landfrieden“ von 1495, des Näheren untersuchen. Sie soll, wie Fischer in seiner Einleitung betont, insoweit Forschungen Heinz Angermeiers ergänzen und weiterführen, die dieser in seinen Arbeiten zur Landfriedenspolitik des deutschen Königtums im Spätmittelalter und zur Reichsreform unternommen hat.
Fischer beginnt seine Untersuchung mit einer konzisen Darstellung des Fehdewesens und der Landfriedensbewegung im Hoch- und Spätmittelalter und deren Behandlung in der bisherigen Forschungsliteratur. Fehde ist für ihn eine verbreitete Form der Rechtsverfolgung mit Waffengewalt, die nicht selten auch außerrechtlichen Zwecken diente, von der bekannt sei, dass sich schon früh Kirche und Königtum veranlasst gesehen hätten, deren Ausübung einzudämmen. Unter diesen Umständen könne man, meint Fischer, die Geschichte des Fehdewesens zugleich als eine Geschichte ihrer Begrenzung betrachten. Allerdings dürfe die Entwicklung vor allem im Spätmittelalter nicht als ein kontinuierlicher Prozess zu einem absoluten Fehdeverbot angesehen werden, vielmehr sei die Entwicklung einerseits durch eine weitgehende Anerkennung der Fehdepraxis durch das Reichsrecht gekennzeichnet gewesen, anderseits durch das Bestreben, die Gerichtsbarkeit im Reich durch eine umfassende Gerichtsreform zu verbessern und die Konfliktsaustragung von der Ausübung des Fehderechts auf die Gerichtsbarkeit zu verlagern. Bei dieser Entwicklung müsse dem Mainzer Reichslandfrieden von 1235, Fischer spricht nach dem Vorbild von Karl Kroeschell von „Reichsfrieden“, eine entscheidende Rolle zugebilligt werden. Die Entwicklung im Spätmittelalter sei zwar vordergründig durch die Bemühungen um die Reichsreform bestimmt gewesen, als zentraler Gegenstand habe sich jedoch immer mehr die Landfriedensfrage und das Problem der Fehde und der Fehdeausübung herausgeschält. In den Reformschriften der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts sei immer häufiger und deutlicher die Forderung nach einem absoluten Fehdeverbot erhoben worden, so dass in ihnen ab der Mitte des 15. Jahrhunderts das Fehdeverbot bereits als eine „Selbstverständlichkeit“ angesehen worden sei. In diesem Zusammenhang müssten auch die ersten legislativen Versuche eines absoluten Fehdeverbots vor dem „Ewigen Landfrieden“ betrachtet werden. Die „Delegitimierung der Fehde“, ein Ausdruck, der bekanntlich von Elmar Wadle in die Diskussion eingeführt worden ist, habe daher nicht erst mit dem absoluten Fehdeverbot des Ewigen Landfriedens von 1495, sondern schon erheblich früher eingesetzt. Als Grund für die Abkehr von der Fehde als einem legitimen Mittel der Rechtsverfolgung sieht Fischer die Rezeption des römischen und des kanonischen Rechts an, in deren Rechtsrahmen die Fehde seit jeher keinen Platz gehabt habe. Sie habe zu einer Duplizität der Rechtsanschauungen in Bezug auf die Fehde und das Fehderecht geführt, bei der auf der einen Seite die überlieferte deutsche, auf der anderen die römisch-kanonische Rechtstradition gestanden hätten und sei auch dafür verantwortlich, dass die Fehde keineswegs als eine unumstrittene Rechtseinrichtung im spätmittelalterlichen Rechtsleben angesehen werden dürfe. Das wirkliche Ende der Fehde sei im Übrigen nicht durch das Fehdeverbot des „Ewigen Landfriedens“ herbeigeführt worden, sondern durch vor allem die gleichzeitige Errichtung einer zentralen Reichsgerichtsbarkeit und den institutionell-organisatorischen Rahmen für die Durchsetzung des Fehdeverbotes. Fischer beschließt seine Untersuchung mit einer Erörterung der einzelnen Bestimmungen des „Ewigen Landfriedens“ und deren textliche Vorbilder und Grundlagen. Auch hier ergibt sich für ihn, dass ein absolutes Fehdeverbot bereits im Landfrieden Friedrichs III. von 1467 festgelegt wurde und sich erst recht in dessen Landfrieden von 1486 finde, auf dem das absolute Fehdeverbot im „ewigen Landfrieden“ beruhe.
Fischer hat mit seiner Arbeit einen wichtigen und klärenden Beitrag zur Geschichte von Fehde und Landfrieden im Spätmittelalter geliefert, der vor allem eines deutlich macht, was in der bisherigen Forschung – ausgenommen bei Otto Brunner – nicht immer klar genug hervorgehoben worden ist, nämlich dass Fehde und Gericht die maßgeblichen Elemente der Rechtsverfolgung im mittelalterlichen Rechtsleben waren. Ob Fischers Charakterisierung der Fehde als „gewaltsame Selbsthilfe“, die der Konfliktsaustragung vor Gericht, von ihm als „Gerichtshilfe“ bezeichnet, gegenüberstand, glücklich gewählt ist, sei dahingestellt. Immerhin war die Fehde ein durch Rechtsgewohnheit und Landfriedensrecht geregeltes Verfahren der Rechtsverfolgung mit Waffengewalt, das mit dem Ausdruck „Selbsthilfe“ nicht hinreichend gekennzeichnet ist, schon gar nicht, wenn man „Selbsthilfe“ im Sinne der juristischen Terminologie versteht. Zutreffend ist dagegen die Beobachtung, dass beide als parallele Mittel der Rechtsverfolgung gesehen werden müssen – allen Missbräuchen bei der Ausübung des Fehderechts zum Trotz, die es im Übrigen ja auch bei der Rechtsverfolgung vor Gericht gegeben hat. Richtig ist auch Fischers Feststellung, dass beim Kampf um Eindämmung und Verbot der Fehde zwei Rechtswelten aufeinander trafen, zum einen die Welt der einheimischen deutschen Rechtsüberlieferung und zum anderen die Tradition des römischen und des kanonischen Rechts, von denen die letztere letztendlich den Sieg davontrug. Dies deutlich gemacht und viele Fehldeutungen in der bisherigen Forschungsliteratur zum Verhältnis von Fehde, Recht und Gericht korrigiert zu haben, ist das besondere Verdienst von Fischers Arbeit. Durch sie ist ein sicheres Fundament für weitere einschlägige Untersuchungen, insbesondere über die Praxis des Fehderechts und die Durchsetzung des Fehdeverbots, gelegt worden, von denen zu hoffen ist, dass sie den von Fischer vorgezeichneten Weg weitergehen und verhindern, dass die künftige Forschung in frühere Fehleinschätzungen des mittelalterlichen Fehdewesens zurückfällt.
Salzburg Arno Buschmann