Böhmer, Peter/Faber, Roland, Die Erben des Kaisers. Wem gehört das
Habsburgervermögen? Ueberreuter, Wien 2004. 172 S. Besprochen von Thomas
Olechowski.
Hinter einer etwas reißerischen Aufmachung (auf
dem Umschlag sind glänzende Goldbarren vor einem Doppeladler zu sehen) und
unter einem Titel, der wohl ebenfalls gewählt wurde, um ein breites
Zielpublikum anzusprechen, verbirgt sich die äußerst sorgfältige und umfassende
Aufarbeitung eines Themas, welches nach wie vor geeignet ist, die Gemüter der
Österreicherinnen und Österreicher zu erhitzen und zu dem dennoch bislang nur
wenige seriöse Forschungen vorliegen: Die Frage nach der Rechtmäßigkeit der
immer wieder von verschiedenen Nachkommen des einstigen Erzhauses erhobenen
Ansprüche gegen die Republik auf Herausgabe des einstigen
„Habsburgervermögens“. Genauere Analyse zeigt, dass schon dieser Begriff
problematisch ist, da in Wirklichkeit drei verschiedene Vermögensmassen zu
unterscheiden sind: Erstens das sog. hofärarische Vermögen, also
Staatseigentum, über das der Kaiser verfügen konnte, wie z. B. die Hofburg in
Wien. Dieses ging mit dem Habsburgergesetz vom 3. April 1919 unstrittig in das
Eigentum der Republik über. Zweitens das Privatvermögen der Familienmitglieder,
das ihnen – abgesehen von einzelnen Übergriffen, die großteils rückgängig
gemacht wurden – belassen wurde und daher ebenfalls außer Streit steht.
Strittig ist lediglich die dritte Vermögensmasse, nämlich das vor allem im habsburgischen
Familienversorgungsfonds gebundene Vermögen, das gleichfalls 1919 enteignet
wurde. Dieser Fonds wurde 1765 mit Hilfe des umfangreichen privaten Nachlasses
nach Franz Stephan von Lothringen gegründet und sollte der „besseren
Versorgung“ und dem „standsmässigen Unterhalt“ der Familienmitglieder dienen
(S. 17). Die Problematik dieses Fonds bestand v. a. darin, dass er privaten
Zwecken diente, aber bestimmungsgemäß vom (monarchischen) Staatsoberhaupt
betrieben wurde, was „mit dem Verständnis eines modernen Staates nicht
vereinbar ist“ (19). Immer wieder war es zu Verschiebungen innerhalb der
genannten drei Vermögensmassen gekommen, die es unmöglich machten, das
gebundene Vermögen – es umfasste im Jahr 1919 mehrere Domänen, darunter Schloss
Eckartsau, Zinshäuser und bewegliches Vermögen; eine Bezifferung seines
heutigen Wertes ist kaum möglich – als rein privates Vermögen aufzufassen. Mit §
5 Habsburgergesetz wurde es gleichfalls von der Enteignung erfasst und einem neu
gebildeten Fonds zur Versorgung von Invaliden des Ersten Weltkriegs übertragen.
Der seitdem immer wieder aufflammende Streit um
das Habsburgervermögen darf nur im Kontext der Gesamtfrage nach dem weiteren Schicksal
der Dynastie gesehen werden. Die 1935 erfolgte Rückübertragung des Vermögens an
den wiedererrichteten Familienfonds durch das autoritäre Regime war
nachweislich nur der erste Schritt hin zu einer Restauration der Monarchie, was
von Bundeskanzler Schuschnigg angestrebt wurde, wozu es aber v. a. aufgrund des
außenpolitischen Drucks durch die „Kleine Entente“ und durch Hitler nicht kam.
Nach dem „Anschluss“ 1938 machte das NS-Regime 1939 die Maßnahmen des
autoritären Regimes wieder rückgängig; d. h. das Haus Habsburg-Lothringen wurde
ein zweites Mal enteignet.
Am 8. Mai 2003 erklärte Christian
Habsburg-Lothringen, ein Enkel des Ex-Kaisers, vor versammelter Presse, dass
seine Familie ein Opfer des NS-Regimes sei und er daher im Namen der
„Habsburg-Lothringen Familien-Privatstiftung“ einen Antrag auf Entschädigung
nach dem Entschädigungsfondsgesetz, das 2001 zugunsten von NS-Opfern
beschlossen worden war, einbringen wolle. Im Jänner 2004 folgten zwei weitere
Anträge von anderen Familienmitgliedern. Alle wurden am 6. Dezember 2004 von
der Schiedsinstanz für Naturalrestitution zurückgewiesen (Entscheidungen Nr. 5,
6, 7/2004).
Der Zeithistoriker Peter Böhmer und der
Rechtshistoriker Ronald Faber haben als ehemalige Mitarbeiter der
Österreichischen Historikerkommission bereits eine Reihe von Arbeiten zu Fragen
der Rückstellung von in der NS-Zeit entzogenem Vermögen publiziert. Das
vorliegende Buch wurde durch die Restitutionsanträge 2003/04 veranlasst und
erschien noch vor den Entscheidungen der Schiedsinstanz. Das überaus
verwickelte rechtliche Schicksal des Habsburgervermögens wird akribisch anhand
von Archivmaterial aus dem Österreichischen Staatsarchiv, dem Parlamentsarchiv
und dem Archiv der Bundesforste nachverfolgt und es wird dabei eingehend auf
die politischen Hintergründe eingegangen. Es gelingt den Verfassern,
wissenschaftliche Präzision mit spannender Darstellungsweise zu verbinden,
sodass die Lektüre ungemein leicht fällt. Zu Recht kommen sie zum Schluss: „die
Habsburger ... verkennen die Funktion der Schiedsinstanz. Diese soll über die
Enteignungen der NS-Zeit entscheiden. Beim Habsburgervermögen geht es aber um
einen ganz anderen Abschnitt der österreichischen Geschichte: Es geht nicht um
1938, sondern um 1918/19. Und damals wurde eben die Monarchie abgeschafft und
die Republik gegründet. Mit allen Konsequenzen.“ (153)
Wien Thomas Olechowski