Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren Mittelalter, hg. v. Moraw, Peter (= Vorträge und Forschungen 48). Thorbecke, Stuttgart 2003. 624 S., 4 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der vorliegende Band, der aus zwei Tagungen des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte, so beginnt der Herausgeber seine Einführung, hervorgegangen ist, die anscheinend 1992 stattfanden, behandelt zwei unterschiedliche, jedoch eng zusammengehörende Institutionen der Reichsverfassung. Dem Hof sind zehn Studien gewidmet. Den Hoftag betreffen sieben Beiträge, wobei insgesamt erstmals der schwierige Versuch unternommen wird, ein Gesamtbild anzubieten und die rückständige deutsche Forschung an den Stand der westeuropäischen Wissenschaft anzunähern.
Die Untersuchungen zum deutschen Königshof sollen vom 12. Jahrhundert bis zum 15. Jahrhundert reichen. Tatsächlich beginnt Theo Kölzer mit dem Hof Kaiser Barbarossas und den Reichsfürsten. Karl-Heinz Spieß betrachtet enger den Hof Kaiser Barbarossas und die politische Landschaft am Mittelrhein.
Beschrieben wird der durch den jeweiligen Aufenthaltsort des Herrschers und seiner personalen Umgebung bestimmte Hof als unstet, amöbenhaft und multifunktional. Örtlicher Schwerpunkt unter Friedrich Barbarossa ist, wie zwei beigefügte Itinerare und eine Karte gut veranschaulichen, das Gebiet zwischen Rhein, Main und Donau. Besonders häufig ist der Herrscher in Worms, Würzburg und Regensburg, wobei ein Drittel aller bezeugten Aufenthaltsorte Bischofssitze sind, mehr als ein Viertel Pfalzorte.
Mit Julius Ficker werden für 1190 22 weltliche Reichsfürsten gezählt. Sie stammen aus den Familien der Welfen, Staufer, Andechser, Zähringer, Balduine, Reginare, Chatenois, Přemysliden, Babenberger, Traungauer, Sponheimer, Askanier, Wittelsbacher, Wettiner und Ludowinger. Von ihnen schieden Balduine und Traungauer noch vor 1200 aus.
Eine Übersicht über die Anwesenheit rheinfränkischer Fürsten und Grafen auf den 190 Hoftagen Friedrich Barbarossas weist den Erzbischof von Mainz 43mal nach. Es folgen die Pfalzgrafen bei Rhein und der Bischof von Worms. Von den 13 Betroffenen findet sich nahezu die Hälfte auf verschwindend wenigen Hoftagen.
Von Friedrich Barbarossa erfolgt durch den Herausgeber ein Sprung zu Karl IV. Grundlage ist das Manuskript seiner Heidelberger Habilitationsschrift über König, Reich und Territorium von 1971. Danach sind von 182 Räten und secretarii Karls IV. 47 Prozent Geistliche und 53 Prozent Laien. Sie stammten zu 54 Prozent aus den Erblanden und zu 46 Prozent aus dem übrigen Reich.
Mit Hof und Hofführung König Wenzels IV. befasst sich Ivan Havláček. Die Außenwirkung des Hofs Kaiser Friedrichs III. erkundet Paul-Joachim Heinig. Von außen sieht den Hof Karl-Friedrich Krieger. Ernst Schubert behandelt die Erz- und Erbämter am hoch- und spätmittelalterlichen Königshof.
Für die Rechtsgeschichte besonders bedeutsam sind die Feststellungen Friedrich Battenbergs zu den königlichen Hofrichtern. Er kann 40 Hofrichter und 76 Hofgerichtsstatthalter nachweisen. Sie sind adelig und ungelehrt, stehen aber dem König nahe und sind an den Erträgnissen interessiert.
Gert Melville legt das Heroldswesen als un bel office offen. Rüdiger Schnell bietet eine Übersicht über Hofliteratur und Hofkritik. Insgesamt werden dadurch viele Aspekte des Hofes erfasst und gefördert.
Auch die Abteilung Hoftag beginnt bei Friedrich Barbarossa, für den Werner Rösener die 156 Hoftage im deutschen Reich (Worms 13, Würzburg und Regensburg 12, Nürnberg 10) beschreibt und als Teilnehmer am Mainzer Hoftag von 1184 allein 70000 Ritter erwähnt. Egon Boshof behandelt Hof und Hoftag König Rudolfs von Habsburg, Alois Schmid die Hoftage Kaiser Ludwigs des Bayern. Die solempnis curia als Element der Herrschaftsausübung in der Spätphase Karls IV. stellt Bernd-Ulrich Hergemöller dar.
Die Beziehungen von Konzilien und Reichsversammlungen im 15. Jahrhundert führt Johannes Helmrath auf, während Eberhard Isermann die schwache Stellung der Reichsstädte auf den Reichstagen hervorhebt. Mit den Reichstagen der 1480er Jahre beschäftigt sich Reinhard Seyboth.
Eine verdienstvolle Zusammenfallung der reichhaltigen Einzelergebnisse bieten Joachim Ehlers und Bernd Schneidmüller für das spätere Mittelalter am Ende des wichtigen, aber von einem abschließenden Gesamtbild wohl doch noch etwas entfernten Werkes. Als Hauptmotiv für die Anwesenheit erweisen sie das Eigeninteresse der Beteiligten, das bei dem Markgrafen von Brandenburg 1500 zu einem Ritt mit 1100 Pferden nach Augsburg führt. Gelehrte Juristen dringen nach ihren Feststellungen nur zögernd in drei Phasen ein, wobei sie es insgesamt für angemessen halten, bis 1470/1480 nur vom Hoftag und erst ab 1470/1480 vom Reichstag zu sprechen.
Innsbruck Gerhard Köbler