Cuadernos de Historia del Derecho, hg. v. Departamento de Historia del Derecho, Bd. 14. Servicio de publicaciones Universidad Complutense, Madrid 2007. 398 S. Besprochen von Thomas Gergen.
Das rechtsgeschichtliche Institut der Universität Complutense von Madrid bringt bereits seit 1994 die Jahrbücher für Rechtsgeschichte heraus, von denen im Rezensionsteil dieser Zeitschrift die letzten Bände besprochen wurden[1]. Anzeigungswürdig sind auch die acht Beiträge des vierzehnten Bandes, die viele Aspekte der Rechtsgeschichte mit Schwerpunkt auf der iberischen Halbinsel bieten[2].
Gérard D. Guyon, Professor an der Universität Montesquieu in
Bordeaux, schreibt über den Anwalt im Prozess des mittelalterlichen
Gewohnheitsrechts von Bordeaux. Es werden die Ursprünge und die Aufgaben der
Rechtsanwälte untersucht, die im Gerichtsbezirk von Bordeaux im Spätmittelalter
vor Gericht auftraten. In der Untersuchung, die anhand der aufgezeichneten Praxis
im alten Gewohnheitsrecht des Bezirkes von Bordeaux angelegt ist, fragt der
Autor überdies nach Auftreten und Pflichten der Anwälte, die in dieser
Gesetzgebung vorkamen, sowie nach ihrer immer stärker werdenden Rolle in jener
Epoche.
Juan Antonio Alejandre García widmet sich den Steuererhebungen in den ersten Jahren der Franco-Zeit. Dadurch, dass es während des spanischen Bürgerkriegs (1936-1939) unmöglich war, im aufgewiegelten Spanien das Steuersystem aus der republikanischen Zeit Spaniens anzuwenden, war die Regierung unter Franco verpflichtet, fiktive Steuerformulare aus dem Boden zu stampfen, die sehr unterschiedlich und ungenau im Hinblick auf die zahlreichen sozialen Schwierigkeiten waren. Der Beitrag setzt sich in Sonderheit mit der einschlägigen Vorschrift auseinander, auf die diese Einnahmen gestützt wurden.
Die „geschichtliche Entwicklung der Delikte gegen die Präsenzpflicht in der Geschichte des Militärrechts: Vom Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart“ thematisiert José Luis Martín Delpón: Das Desertieren wurde seit dem römischen Recht bis in die Gegenwart als ein hervorstechendes Beispiel eines Militärdeliktes angesehen. Der Beitrag möchte einen Überblick über die Entwicklung dieses militärtypischen Delikts im Verfassungsgefüge des 19. Jahrhunderts bis zu seiner Konsolidierung in unserer Rechtsordnung im 20. Jahrhundert geben, sei es im Gesetzbuch über die Militärgerichtsbarkeit von 1945 oder im Militärstrafgesetzbuch, das durch das spanische Gesetz 13/1985 in Kraft gesetzt wurde, sowie zum anderen hinsichtlich der Perspektiven des Verbleibs in dieser Rechtsordnung im Kontext der neuen Herausforderungen der nationalen Verteidigung und der Auswirkung auf das Militärstrafrecht.
María Jesús Torquemada beschäftigt sich mit der Krone von Aragonien und Schottland, genauer den Parallelismen anhand des Heart of Midlothian. Die historische Erzählung von Sir Walter Scott mit dem Titel The Heart of Midlothian bietet verschiedene Zugänge zu einer vergleichenden Studie über das Werden und die Entwicklung des hispanischen und britischen Nationalismus. Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern sollten sich die rechtlichen und gesellschaftlichen Traditionen, die für beide Territorien charakteristisch sind, mit ernst zu nehmenden Hindernissen ausbilden und im Augenblick der Bildung der neuen Nationalitäten, die unter dem alten Regime entstanden, zu Konfliktursachen werden.
Der Ständige Gesandte der spanischen Vertretung in Wien, Servando de la Torre Fernández del Pozo, bearbeitet „Quellen zum Studium des Unabhängigkeitskrieges. Europa 1807-1808, gesehen vom österreichischen Kaiser in Paris: Metternich und seine Erinnerungen“. Der spanische Unabhängigkeitskrieg ist bislang bloß aus einer streng spanischen Sicht untersucht worden, denn nach Vorstellung Napoleons bildete Spanien nur einen von vielen Bausteinen in seinem europäischen Projekt. Die Erinnerungen Metternichs bilden hierzu eine wertvolle Informationsquelle, um die Sichtweise Napoleons zu begreifen.
In der Rubrik „Dokumente” tritt Pedro Andrés Porras Arboledas in Erscheinung. Sein Beitrag „Die Protokolle von Úbeda (1506-1507) und von Baeza (1512). Regesten ihres Inhalts und Indizes” beinhaltet die beiden vollständigen und ältesten Protokolle, die in Baeza und Úbeda konserviert sind. Diese vereinigen sich nun mit dem schon publizierten Protokoll von 1516 der ersten Stadt, deren zusammenfassende Untersuchung eine Annäherung anhand des reichhaltigen Annexes an die Gesellschaft und an die Personen des beginnenden 16. Jahrhundert in dieser Gegend erlaubt.
In „Grausame Morde in der Hauptstadt der Monarchie im 18. Jahrhundert“ analysiert Alicia Duñaiturria Laguarda die verschiedenen Arten des Totschlags (außer des nichtvorsätzlichen), indem sie sich auf den Strafprozess vor der Sala de Alcaldes de Casa y Corte von Madrid stützt. Die grausamen Morde bieten eine einzigartige Sicht auf die madrilenische Gesellschaft sowie auf die Mischung von Beziehungen und Gehässigkeiten, die in der Hauptstadt der spanischen Monarchie im Laufe des 18. Jahrhunderts ausgeübt wurden.
Der vierzehnte Band schließt mit „Regierungs-, Gerichts-, Militär- und Finanzhoheit: eine neue Sicht des Indiferente General des Archivo General de Indias“. Mariana Moranchel Pocaterra veröffentlicht eine neue Vorgehensweise, je nach Zugehörigkeit einer Materie zu Regierungs-, Gerichts-, Militär- oder Finanzhoheit, die Quellenbestände einzuteilen, die sich in der Untersektion des Indiferente General befinden, das zur Regierungssektion des Archivo General de Indias gehört. Ziel dieses Vorhabens ist es, den Forschern in Indio-Themen ein neues und bei der Informationsbeschaffung zeitsparendes Instrument an die Hand zu geben.
Gewiss können die Beiträge des Jahrbuches an dieser Stelle lediglich angesprochen werden; für den an der Rechtsgeschichte des spanischsprachigen Raumes Interessierten ist auch dieser Band eine lohnenswerte Lektüre.
Hannover Thomas Gergen