Ciriacy-Wantrup, Katharina von, Familien- und erbrechtliche Gestaltungen von Unternehmen der Renaissance (= Augsburger Schriften zur Rechtsgeschichte 6). LIT Verlag, Münster 2007. LVIII, 319, W S. Besprochen von Mathias Schmoeckel.

 

Es ist das Verdienst Christoph Beckers, auch durch mehrere jüngeren Augsburger Dissertationen das reiche Augsburger Material zur Notargeschichte zu heben. Die Archive, insbesondere aber die Stadtarchive der alten Handelsstädte, quellen geradezu über vor Notarakten, die in Deutschland – anders als in anderen europäischen Ländern – auf ihre wissenschaftliche Bearbeitung warten. Seit der letzten Notargeschichte Ferdinand Oesterleys (1842/1845) ist keine zusammenfassende Gesamtdarstellung erschienen, zudem gibt es nur wenige Monographien und Aufsätze, die sich mit diesem Thema befassen. Umso rühmlicher ist das Augsburger Unterfangen, wirklich in der Auseinandersetzung mit dem Augsburger Stadtarchiv die Stadt-, Rechts- und Wirtschaftshistoriographie zu bereichern.

 

Einleitend wird in der hier anzuzeigenden Dissertation das Thema nur ganz kurz bezeichnet als Darstellung der besonderen Rechtsgestaltung Augsburger Gesellschaften der frühen Neuzeit. Im Fazit der Arbeit werden dagegen u. a. Erkenntnisse für die besondere Stellung Augsburgs als Handelsplatz versprochen. Thema bzw. Fragestellung hätten also etwas genauer bestimmt werden müssen. Letztlich geht es nach Auffassung des Rezensenten im Hinblick auf das verwendete Material um die Auswertung des Augsburger Stadtarchivs insbesondere im Hinblick auf die vom Notar Johannes Spreng (1524-1601 jeweils in Augsburg) vorhandenen Materialien. Dies ist insoweit interessant, als die Dokumente seiner Amtstätigkeit durch Duplikate und Regesten fast lückenlos im Stadtarchiv aufbewahrt werden bzw. rekonstruiert werden können. Der gelernte Gräzist Spreng war nicht nur als Meistersänger bekannt, sondern auch ein sehr gefragter Notar mit internationaler Ausstrahlung. Die Verfasserin bezeichnet seinen Nachlass daher als einzigartig. Die Einarbeitung und Erfassung des Bestands erscheint, soweit sich nach der Lektüre beobachten lässt, durchaus gelungen. Allerdings hätte die Verfasserin ihre Annäherung an die Quellen auch noch näher dokumentieren bzw. die Art der Auswertung und die Verwertbarkeit der Quellen allgemein darlegen können.

 

Materiell geht es um Gesellschaftsrecht, vor allem in seiner Verbindung zu Familien–und Erbrecht. Die Darstellung dieser heute ebenfalls komplizierten dogmatischen Zusammenhänge ist aus juristischer Sicht durchaus als anspruchsvoll zu qualifizieren, ihr geht dogmatischer Scharfblick an mehreren Stellen durchaus nicht ab. Dabei hätte man nach dem Vorgesagten durchaus Verständnis für die Verfasserin gehabt, wenn sie auf die Versuche einer Dogmengeschichte an dieser Stelle verzichtet hätte, die im Rahmen einer solchen Arbeit nur oberflächlich geraten kann. Insoweit kann man nicht erwarten, hier zu einer neuen Darstellung des Gesellschaftsrechts oder einem neuen Verständnis dieser Materie aus erb- und familienrechtlichen Zusammenhängen zu gelangen.

 

Doch teilweise stellt die Verfasserin die gewählten Rechtsgestaltungen aus den Akten dar. Dabei gelangt sie zu aus den Quellen geschöpften Beobachtungen, welche die künftigen Darstellungen dieser Materien zu berücksichtigen haben. Diese Arbeit unterscheidet sich insoweit von Silke Pettingers ähnlicher Augsburger Dissertation zur Vermögenserhaltung und Sicherung der Unternehmensfortführung durch Verfügungen von Todes wegen, die stärker dogmenhistorisch ausgerichtet ist und keine methodische Grundlegung zeigt. Für die Notargeschichte wird die Arbeit von Ciriacy-Wantrups insoweit künftig als Anhalt und Vergleichsfall dienen können.

 

Damit ist schon angedeutet, dass mangels einer präzisierten Fragestellung zu viele Themen angerissen und annähernd behandelt werden, wodurch der Anspruch der Arbeit überfrachtet wird und bestenfalls nur kurze Wiederholungen aus dem Schrifttum geleistet werden können. Daraus zeigt sich aber doch immerhin, dass die Verfasserin die Kontexte der Stadt-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte gesehen und sich um deren Einbeziehung bemüht hat.

 

Die hier angezeigte Arbeit dokumentiert wohl zweierlei: Einerseits wird der Wert der Notarakten als Quelle deutlich, ebenso der rechtshistorische Nachholbedarf, auch um die genannten Nachbardisziplinen mit weiterem Material zu versorgen. Hier ruht in deutschen Archiven ein schier ungeheurer Schatz, der allein schon aufgrund seiner Größe kaum zu heben ist und dennoch jeden Aufwand lohnt. Andererseits wird deutlich, dass es sich gerade im Fall solch anspruchsvoller Dissertationen sehr lohnen würde, durch gemeinsame Anstrengungen des Fachs den Doktoranden mehr Handwerkszeug zu vermitteln: Juristisch-dogmatische Genauigkeit, Beherrschung der Hilfswissenschaften und Quellenkunde stellen zusammen eine große Hürde dar. Hinzu kommen die Probleme, erstmals eine große Monographie zu schreiben. Doktorandenschulen scheinen mir im Interesse der Doktoranden und des Fachs zunehmend nötig zu sein, aber auch regelmäßige Veranstaltungen wie die rheinische Doktorandenschule der Rechtshistoriker im Rheinland können nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre in diesem Sinne hilfreich sein.

 

Bonn                                                                                                  Mathias Schmoeckel