Barnert, Elena, Der eingebildete Dritte. Eine Argumentationsfigur im Zivilrecht (= Grundlagen der Rechtswissenschaft 12). Mohr (Siebeck), Tübingen 2008. X, 281 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Rudolf Wiethölter verursachte, von Regina Ogorek betreute und von Gunther Teubner 2007 zweitbegutachtete Dissertation der Verfasserin, die nach dem Studium der Rechtswissenschaft, Geschichte und Philosophie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Frankfurt am Main tätig war. Sie beginnt in der Einleitung mit zwei Zitaten. Sie stammen aus Ciceros De officiis und aus Peter Handkes Don Juan und bilden anscheinend einen weit gespannten Rahmen für die anschließenden Überlegungen.

 

Im Mittelpunkt steht aus etlichen Subsumtionsoperationen ein gedachter (objektiver, verständiger, sorgfältiger) Dritter, der als ,idealer’ Rechtsakteur zu den Prozessparteien hinzutritt. Die Autorin hofft, sich mit der Arbeit zu den Schriftstellern zählen zu dürfen, denen Savigny einen breiten Vorspann gestattet, da die Schreibenden „gewiß auf eine große Mehrzahl von Lesern rechnen (können), die in der Mitteilung nur eine neue Zusammenstellung und Verarbeitung, oder aber eine kritische Prüfung oder Berichtigung, der in ihnen bereits vorhandenen concreten Kenntnisse finden werden“. Der ,empirischen’ Frage nach Verbreitung, Dienstbarmachung und kontextgebundenem Kolorit des Dritten steht also eine ,begriffliche’ Untersuchung voran, welche Bedeutung und Konturen des in Rede stehenden Phänomens aufzeigen und so zunächst klären soll, wonach überhaupt gesucht wird und wie man den Dritten fassen kann, wobei es nie um eine starre subsumtive Zuordnung, sondern eher um eine vergleichende Annäherung und prüfende Bezugnahme geht und mehrfach inner- und außerjuristisch eine Debatte oder ein Begriff gestreift und im Revier einer Theorie gewildert wird, ohne dass Debatte, Begriff und Theorie bis auf den Grund ausgeleuchtet sind, was die Verfasserin mit dem Versuch einer synthetischen Einordnung der Silhouette des Dritten an Hand gewisser rechtsmethodologischer Konstanten und ideengeschichtlicher Eckpfeiler rechtfertigt.

 

Dementsprechend behandelt der erste Teil Dimensionen der Rechtsfigur des Dritten (Der Dritte als Konstrukt, Funktionen und Beschreibungen, Menschenbilder, Rundblicke, Der Dritte als Stilform). Der zweite Teil widmet sich der Handlung (Zum Dritten als Aktionsschema), der dritte Teil dem Verständnis (Zum Dritten als Auslegungsmaxime), der kurze vierte Teil dem Willen (Zum Dritten als Entschlussregel) und der kurze fünfte Teil dem Gefühl (Zum Dritten als Affektfilter). Am Ende erfolgt eine Schlussbetrachtung.

 

Danach ist der Dritte ein Mann im Schatten. Mitunter wird er von dort über die Schattengrenze hinweg hervorgeholt. Doch mehr als ein Halblicht verträgt er nicht.

 

In diesem Sinne ist der auch Rechtshistorisches verwendenden Verfasserin der dem Vergleich als normativer Modellmensch (z. B. sorgfältiger Kapitän, gewissenhafter Notar, verantwortungsbewusster Versicherungsnehmer, tüchtiger Lastzugführer, aufmerksamer oder flüchtiger Leser, verständiger Verbraucher, objektiver Zuschauer oder besonnener Mensch) dienende Dritte ein Etwas, das die Richter ins Recht legen, im Bild die Prozessparteien und auch die civil society. Er ist eine von den Richtern ins Recht gelegte, vom Recht umgebene, eingefasste und imprägnierte Exklave der Außenwelt, die zunächst bleibt, was sie ist und wie sie ist, deren Ränder das Recht aber glättet und abschleift. Es formt um und reicht sein Präparat heraus, wobei man dann Verformtes irgendwann wieder ins Recht zurücklegen kann.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler