Albrecht, Angelika, Zigeuner in Altbayern 1871-1914. Eine sozial-, wirtschafts- und verwaltungsgeschichtliche Untersuchung der bayerischen Zigeunerpolitik (= Materialien zur bayerischen Landesgeschichte 15). Kommission für bayerische Landesgeschichte, München 2002. XXIV, 426 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Wilhelm Volkert betreute, im Sommersemester 1998 von der philosophischen Fakultät III der Universität Regensburg angenommene Dissertation der Verfasserin. Sie grenzt in der Einführung nach Vorbemerkungen zur Terminologie, die den Zigeunerbegriff als seinerzeit sozial charakterisiert erkennen, ihr Thema zeitlich und regional ein. Danach erläutert sie die überwiegend ungedruckten Quellen, den unbefriedigenden Forschungsstand und ihre eigenen Untersuchungsziele.
Anschließend betrachtet sie in drei kurzen Kapiteln Zigeuner und Zigeunerbegriff in Anthropologie und Ethnologie am Ende des 19. Jahrhunderts, den Zigeunerbegriff der bayerischen Behörden und den Zigeunerbegriff der Kriminologie und Kriminalistik des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Das Schwergewicht liegt auf der ausführlichen Behandlung des Umgangs der sesshaften Bevölkerung mit dem Phänomen Nichtsesshaftigkeit an Hand der Zigeuner- und Landstreicherpolitik Bayerns, der Münchener Zigeunerzentrale, des bayerischen Zigeunerbuchs, der Münchener Zigeunerkonferenz von 1911 und der Praxis der Zigeunerpolizei bei Bezirksämtern, Rentämtern, Gendarmerie und Ortspolizeibehörden. Den Abschluss bildet die umsichtige Erörterung der Lebensumstände der Zigeuner.
Am Ende fasst die Verfasserin ihre sorgfältig erarbeiteten Ergebnisse zusammen. Danach stellten die etwa 2500 ermittelten Zigeuner bei 6524372 Einwohnern Bayerns im Jahre 1905 nur eine verschwindende Minderheit dar. Sie verfügte über zahlreiche Verhaltensmuster, die es ihr erlaubten, sich dem stärker werdenden Zugriff der staatlichen Sicherheitsorgane entweder ganz zu entziehen oder diesen Zugriff zumindest erfolgreich zu erschweren, so dass die Zigeuner in Altbayern am Ende des 19. Jahrhunderts innerhalb der sie als lästig oder bedrohlich ablehnenden sesshaften Gesellschaft größere Bewegungsfreiheit und größere Sicherheit für ihre ambulante Lebensweise gewinnen konnten.
Innsbruck Gerhard Köbler