Akten des 36. Deutschen Rechtshistorikertages Halle an der
Saale 10.-14. September 2006, hg. v. Lieberwirth, Rolf/Lück, Heiner.
Steiner, Stuttgart 2008. 722 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Wissen ist Kapital. Der einzelne Wissenschaftler erwirbt es durch seine Forschung und darf es als Ausfluss seiner besonderen Persönlichkeit grundsätzlich in erster Linie zum eigenen Nutzen verwenden. In der Gesellschaft wird sein unmittelbarer wie auch sein mittelbarer Nutzen jedoch vielfach um so größer sein, je mehr Mitmenschen er es zur Kenntnis bringen kann, weswegen in der Mediengesellschaft der Medienpräsenz besondere Bedeutung zukommt.
Wie sie sich erreichen lässt, ist nicht immer sicher vorherzusehen. Erfahrungsgemäß ist die Unterstützung durch berufsmäßig tätige Mediateure besonders hilfreich. So kann, wie jeder seit langem weiß, der gute Verlag Medienerfolge vermitteln, die dem einfallreichsten Urheber allein dauerhaft verwehrt blieben.
Naheliegenderweise stehen die Medienunternehmer dabei vielfach in einem harten Wettbewerb miteinander. Wer den Schöpfer an sich binden kann, kann an seinem Erfolg teilhaben. Meist besser als der Schöpfer kann er aus der Vermittlungstätigkeit seinen Lebensunterhalt bestreiten.
Dieser Wettbewerb hat inzwischen selbst die Rechtsgeschichte erreicht. Auch hier kommt es nicht mehr nur für den Schöpfer darauf an, den wirtschaftlich erfolgreichsten Vermittler für sich zu gewinnen. Vielmehr betreibt selbst hier der Medienunternehmer die bewusste Akquisition von Verdienstmöglichkeiten.
Dementsprechend tritt neben die herkömmliche Veröffentlichung der seit 1927 auf den deutschen Rechtshistorikertagen zunehmend zahlreicher vorgetragenen Untersuchungen in rechtsgeschichtlichen Zeitschriften die Publikation in Sammelbänden. Die Initialzündung hierfür nahm das in Frankfurt am Main gebündelte Potential bereits vor Jahrzehnten exemplarisch vor. Die damit verbundenen wirtschaftlichen Chancen werden offensichtlich gegenwärtig als so interessant eingeschätzt, dass die Verlage Nomos, Stämpfli und Steiner, deren Kennzeichen bislang nicht die Betreuung der Rechtsgeschichte gewesen zu sein scheint, sich gemeinsam längerfristig dieses Wissenschaftsgebiets annehmen wollen.
Dies bietet Möglichkeiten für die Verlage. Hinzu kommt Medienpräsenz für die Herausgeber. Vermutlich wird ein wenig Glanz auch auf die gemeinsam auftretenden Verfasser ausstrahlen.
Was freilich der eine gewinnt, muss dem anderen entgehen. Schon die Sammelgräber der Festschriften gefährden den Bestand wissenschaftlicher Zeitschriften, wenn sie ihnen durch ihre große Zahl immer mehr wichtige Erkenntnisse entziehen. Nichts anderes kann für Tagungsbände gelten, weswegen ihnen die Zeitschriften interessegemäß zurückhaltend gegenüberstehen müssen.
Gleichwohl müssen sie diesen Gang der Dinge zur Kenntnis nehmen. Vielleicht können sie ihren höheren Bekanntheitsgrad und damit auch einen höheren Referenzwert für sich ins Feld führen. Sie werden damit aber kaum die organisierenden Herausgeber überzeugen können, denen die Leistung der Autoren unmittelbar in ihrer Person zu gute kommt.
Konkret fand vom 10. bis 14. September 2006 in Halle an der Saale der 36. deutsche Rechtshistorikertag statt. Auf ihm wurden 57 Referate vorgetragen. Ihr Druckumfang lässt sich hypothetisch auf vielleicht gut 1000 Seiten schätzen.
Die angesprochene Interessengemeinschaft der drei Verlage und der zwei Herausgeber konnte 37 Autoren davon überzeugen, dass auch ihre Interessen bei ihnen am besten aufgehoben seien. Da die Anordnung der Beiträge im Wesentlichen der Struktur der Tagung in Plenarvorträge, Sektionen und wissenschaftliche Mitteilungen folgt und am Ende die (13?) an anderen Orten erschienenen oder erscheinenden Beiträge verzeichnet sind, bietet der Sammelband zwar kein vollständiges Bild des Kongresses, aber doch wesentliche Züge gedruckt. Da der Versuch wiederholt werden wird, wird dies offensichtlich als verlegerisch-herausgeberischer Erfolg angesehen.
Inhaltlich ist der Kongress in der Zeitschrift für Rechtsgeschichte in den Jahresbänden (124 bzw. 94) 2007 von Susanne Lepsius, David von Mayenburg, Frank L. Schäfer, Fabian Klinck und Renate Schulz ausführlich besprochen worden. Auf diese wichtigen Zusammenfassungen sei an dieser Stelle ausdrücklich Bezug genommen. Im Übrigen soll an dieser Stelle der Hinweis genügen, dass die Plenarvorträge Wilhelm Brauneders (Verfassungsgeschichtsschreibung im europäischen Kontext), Detlef Liebs’ (Esoterische römische Rechtsliteratur vor Justinian), Johannes Kunischs (Der Historikerstreit um den Ausbruch des siebenjährigen Krieges), Christine Reinles (Fehde und gewaltsame Selbsthilfe in England und im römisch-deutschen Reich) und Rolf Lieberwirths (Andere Rechtswissenschaft? Die juristische Ausbildung in der DDR. Erinnerungen und Fakten von 1945 bis 1989) sowie die Sektionsvorträge Anja Amend-Trauts, Pascale Canciks, Eberhard Isenmanns, Emile Kadens’, Cosima Möllers, Guido Pfeifers, Gabriela Signoris, Stefan Rupperts, Thilo Engels, Birgit Fastenmayers, Tatjana Mills, Dorothea Nolls, Mathias Schmoeckels, Yves Mausens, Marcel Senns, Jan Schröders, Gerhard Ottes, Marie Sandströms, Miloš Vecs, Stefan Vogenauers, Marek Biszczaniks, Jolanta Karpavičienės, Ruth Schmidt-Wiegands, J. Friedrich Battenbergs, Ulrike Müßigs, Bernd Schildts, Matthias Schnettgers, Alain Wijffels, Christian Traulsens, Ulrich Falks, Sönke Lorenzs und József Ruszolys im Sammelband abgedruckt sind.
Erfreulich ist in jedem Fall, dass die umfangreichen rechtsgeschichtlichen Untersuchungsergebnisse insgesamt den Weg in die Öffentlichkeit gefunden haben. Möge dies dem Fache insgesamt und seiner notwendigen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit dienlich und nützlich sein. Ein einbettendes Register würde die Ergebnisse ebenso wie eine hoher Referenzwert am ehesten länger medienpäsent halten können.
Innsbruck Gerhard Köbler