Windsheimer, Bernd, Geschichte der Stadt Fürth. Beck, München 2007. 144 S., 60 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Am 7. Dezember 1835 fuhr die erste deutsche Eisenbahn mit dem englischen Lokomotivführer William Wilson und Honoratioren und Aktionären in Anwesenheit einer großen Menschenmenge erstmals auf der sechs Kilometer langen, geraden und ebenen Strecke zwischen Nürnberg und Fürth. Dem war eine zehnjährige Planungszeit vorausgegangen, in der sich seit 1833 der Nürnberger Großhandelskaufmann Georg Zacharias Platner und der Fürther Bürgermeister Franz Josef Bäumen als treibende Kräfte erwiesen und Fürther Kaufleute elf Prozent der Aktien der königlich privilegierten Ludwigseisenbahn-Aktiengesellschaft zeichneten, davon etwa ein Drittel Fürther Juden. Obwohl die Strecke entgegen ursprünglicher Hoffnungen trotz hoher Rendite der Bahnaktien nie verlängert und Fürth im Gegensatz zu Nürnberg erst 1876 in ein weiterreichendes Schienennetz eingebunden wurde, hat sich die Stadt durch die erste deutsche Eisenbahn auf Dauer einen hervorragenden Platz in der deutschen Verkehrsgeschichte, in der Technikgeschichte und insgesamt in der modernen Wirtschaftsgeschichte erworben.

 

Wie alt Fürth zu dieser Zeit bereits war, ist freilich ungewiss, weil das erste eindeutige urkundliche Zeugnis für die Siedlung am Zusammenfluss der slawisch benannten, nicht sehr tiefen Flüsse Rednitz und Pegnitz erst vom 1. November 1007 stammt und die mögliche Gründung einer Martinskirche nahe der Gewässervereinigung durch Karl den Großen nicht sicher bezeugt ist. Bei der Ersterwähnung des durch eine oder mehrere Furten (ahd. furt, st. M., Furt) an nicht genau bekannter Stelle gekennzeichneten Ortes war er jedenfalls trotz bisher fehlender eindeutiger Spuren eines Königshofs Königsgut, das König Heinrich II. dem Bischof von Bamberg bei der Gründung des neuen Bistums geben konnte. Das Marktrecht dieses Ortes wird 1062 sichtbar, als es Kaiser Heinrich III. auf das erst nach 1007 erstmals erwähnte nahe Nürnberg übertrug, aber auf Bitten des Bischofs von Bamberg gleichzeitig wieder auf Fürth zurückübertrug.

 

Wohl um 1100 wurde in Fürth eine vielleicht zunächst ebenfalls dem heiligen Martin, später dem heiligen Michael gewidmete Kirche auf der Anhöhe südlich des Zusammenflusses erbaut. Allmählich übernahmen die Vögte des Bischofs von Bamberg, zunächst die Grafen von Abenberg, dann die Burggrafen von Nürnberg aus der Familie der Grafen von Zollern, wichtige Rechte wie die Hochgerichtsbarkeit in Fürth. Seit etwa 1400 gewann auch die Reichsstadt Nürnberg Rechte in Fürth, so dass allmählich eine gemeinsame Herrschaft dreier Herren entstand, deren Radizierung in verhältnismäßiger Gemengelage eine neuzeitliche Karte anschaulich zeigt.

 

Die gemeinsame Herrschaft dreier Herren war förderlich für die Freiheit und hinderlich für die Entwicklung zugleich. Sie stand der Zuwanderung jüdischer, erstmals im Gerichtsbuch von 1440 nachgewiesener Einwohner nicht im Wege, verhinderte aber auch ihre wahrscheinlich spätere Ausweisung nicht. 1528 gewährte der inzwischen zum Markgrafen ausgestiegene Burggraf von Nürnberg dem Juden Perman die Niederlassung gegen 35 Gulden Schutzgeld.

 

1604 waren von 321 Familien in Fürth 22 jüdischen Glaubens. Nach der nahezu vollständigen Zerstörung Fürths am 8. September 1634, den nur Sankt Michael und die jüdische Synagoge überstanden, sank die Zahl der Vollbauernhöfe von zuvor 40 auf 12 und blühte die gewerblich-unternehmerische Tätigkeit in dem 1652 erstmals als Marktflecken bezeichneten Ort auf. Dabei wuchs die jüdische Bevölkerung auf etwa 1500 im Jahre 1700 und auf etwa 2600 um 1800, womit mindestens jeder fünfte Fürther jüdischen Glaubens war und Fürth die mit weitem Abstand größte jüdische Gemeinde Süddeutschlands beherbergte (Berlin 3300, Frankfurt 3000, Breslau 2900).

 

Am 5. Januar1792 fiel Fürth an Preußen, am 10. Mai 1806 mit 550 Häusern und etwa 13000 Einwohnern an Bayern, das es 1808 zur Stadt zweiter Klasse und 1818 zur Stadt erster Klasse mit dem Recht der gemeindlichen Selbstverwaltung erhob. In ihr bestanden 1847 bei 15800 Einwohnern fast 3000 Betriebe mit 6630 Beschäftigten. Bis 1875 stieg die Einwohnerzahl auf 27000, bis 1900 auf 54000, wobei Fürth, wie der Verfasser den fünften seiner chronologisch aufeinander folgenden sieben Abschnitte überschreibt, zur Stadt der tausend Schlote wurde.

 

Zwischen zwei Kriegen lehnte Fürth seine Eingemeindung nach Nürnberg mit 64,7 Prozent der abgegebenen Stimmen ab und vertrieb seine Juden (bis auf 20 in Mischehen lebende), deren Zahl 1880 noch 3336 (1941 knapp 650) betragen hatte und denen 1935 noch 720 Geschäfte gehört hatten. Durch Zustrom von Flüchtlingen und Eingemeindungen wurde es Großstadt. 2007 beging es die tausendste Wiederkehr seiner ersten sicheren urkundlichen Erwähnung.

 

Diese Entwicklung zeichnet der Verfasser übersichtlich nach. Zahlreiche Abbildungen beleben seine einnehmende Darstellung. Wer das stets im Schatten des Erzschatzkästleins des deutschen Reiches lebende, im zweiten Weltkrieg kaum zerstörte, große Teile seiner 1634 wieder aufgebauten Altstadt flächensanierend verwüstende Fürth liebt, wird das kleine Werk zur Mehrung und Sicherung seines Wissens gut gebrauchen können.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler